Internationale Vernetzung von Hooligans: Gemeinsam gegen „Islamisierung“

Die Randale von Brüssel wird als Fanal gefeiert. Nun haben Hooligangruppierungen international ihr Mobilisierungsthema gefunden.

schwarzgekleidete und teilweise vermummte Demonstranten

Rechte Demonstranten am 27. März auf dem Place de la Bourse in Brüssel Foto: ap

BERLIN taz | Als am vergangenen Sonntag 400 Hooligans die Gedenkfeier für die Brüsseler IS-Opfer störten, Trauergäste schlugen und rechte Parolen grölten, war die Überraschung groß. Tatsächlich war es ja das erste Mal seit der aus dem Ruder gelaufenen Großdemonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ 2014 in Köln, dass eine gewalttätige Menschenmenge, die fast ausschließlich aus Hooligans bestand, im Zentrum einer europäischen Großstadt Angst und Schrecken verbreitete.

Für Kenner der Szene wie den Berliner Fanforscher Robert Claus ist allerdings weder der Zeitpunkt noch der Anlass der Randale überraschend. Seit gut zwei Jahren beschäftigten sich viele europäische Hooliganszenen fast ausschließlich mit Zuwanderung und Islamismus, sagt er. „Das ist das beherrschende Thema.“ Längst sind dabei Allianzen über Landesgrenzen hinweg entstanden. Mit den Brüsseler Ausschreitungen solidarisierten sich Stunden später Dutzende europäische Gruppen. In Deutschland tummeln sich viele Ultra- und Hoolgruppen auf einer Website mit dem Titel „Ultras not reds“.

Bei den „nichtroten“ Ultras braucht man nicht lange zu rätseln, aus welchem Spektrum die Unterstützer kommen. Keltenkreuze, Reichsfahnen, Yr-Runen und „Refugees not welcome“-Buttons finden sich dutzendweise in den Postings aus dem In- und Ausland. Vor allem in vielen osteuropäischen Ultra- und Hooligangruppen ist rechtsextremes Gedankengut verbreitet. Fußballschläger aus Polen, Russland, der Ukraine, Tschechien oder Ungarn machen auch keinerlei Unterschied zwischen den IS-Schlächtern und Flüchtlingen und lancieren martialische Kampf- und Mordaufrufe gegen beide.

Parallel läuft in Deutschland eine Entwicklung, in der ältere Hooligans wieder aktiver werden und im Islamthema ein Mobilisierungsfeld gefunden haben, während parallel einige Ultragruppen an den Rändern ausfransen. In mehreren Szenen hört man derzeit die Klage, dass vor allem Jüngere den Gewaltkick suchen und immer mehr Zeit in den Mixed-martial-Arts-Studios ihrer Städte verbringen.

Neidische Blicke Richtung Osten

Viele von ihnen sind schwer fasziniert von der Militanz, wie sie in Brüssel oder Osteuropa zutage tritt: „Viele extrem rechte Hooligangruppen gucken mit einem fast schon neidischen Blick auf die Szenen in Osteuropa, vor allem in Russland“, sagt Robert Claus. „Die dortige Szene gilt als sehr hart und hat keine Probleme, mit Hakenkreuzen aufzutauchen.“

Doch auch die gewaltbereite Fußballszene in Deutschland begreift sich zunehmend als politischer Akteur. In Leipzig-Connewitz, einer Hochburg der linken Szene, hinterließen Mitte Januar 250 rechte Hools eine Spur der Verwüstung. Auch bei den Pegida-Demos und ihren Ablegern sind Hooligans eine tragende Säule – bei den Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte in Freital oder Heidenau wurden zahlreiche Hooligans in vorderster Front erkannt.

Anfang des Jahres musste die Polizei „Bürgerwehren“ auflösen, die rechte Hooligans gebildet hatten. Die waren in Köln und Mönchengladbach aktiv. In Bielefeld fand die Polizei Sturmhauben, Messer, Fackeln und Quarzsandhandschuhe.

Gerade im Bereich der Rocker- und Türsteherszene, aus denen sich in vielen Städten die Hools rekrutieren, geht es außer um Ideologisches oft auch um pure Revierstreitigkeiten – und darum, wer das Sagen auf der Straße hat. Als im September 2014 in Wuppertal eine „Scharia-Polizei“ patrouillierte, war der Aufschrei groß. Dass sich kurz darauf exakt aus diesen Kreisen die ersten selbst ernannten Bürgerwehren gründeten, war dann kein Zufall.

Gewaltorgien werden offen abgefeiert

Die staatliche Strafverfolgung stößt in diesen Mischszenen oft an ihre Grenzen. Wie auch im Bereich der politischen Kriminalität suchen Staatsanwälte und BKA oft nach klassischen Organisationsformen. Doch weder Hooligans noch Rechtsextreme – es sei denn, sie gehen so befremdlich naiv vor wie die jüngst verbotene „Old School Society“ – organisieren sich heutzutage mit Mitgliedsausweisen und Kassenprüfern. Sozialwissenschaftler sind im Gegensatz zu staatlichen Behörden daher auch längst dazu übergegangen, von „kollektiven Identitäten“ statt von Vereinigungen zu sprechen.

Um die Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa), die 2014 fast 5.000 Anhänger mobilisierte, ist es derweil ruhig geworden. Stattdessen werden im Forum „Hooltras Deutschland“ Gewaltorgien wie die von Connewitz offen abgefeiert. Die Organisationsformen der rechten Hooligans haben sich gewandelt. Doch nach Ansicht von Fanforscher Claus hat die Szene längst das Thema gefunden, mit dem sie auch in Zukunft mobilisieren werden: „Isis und Islam werden in den kommenden Jahren die große Klammer sein.“

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