„Europa muss Druck auf die USA machen“

Verunsicherung Die Vereinbarung macht es NutzerInnen schwer, ihre Rechte einzufordern, sagt der Grüne Jan Philipp Albrecht

Jan Philipp Albrecht

Foto: Fritz Schumann

33, sitzt seit 2009 für die ­Grünen im EU-Parlament.

taz: Herr Albrecht, Sie sind bei Facebook, Twitter, das Betriebssystems Ihres Handys stammt von einem US-Anbieter, also werden jede Menge persönliche Daten von Ihnen in die USA übertragen – Angst?

Jan Philipp Albrecht: Nicht unbedingt Angst. So richtig bewusst ist einem ja nicht, was die Konsequenzen von Datenmissbrauch sein können. Aber eine starke Verunsicherung ist schon da. Vor allem Verunsicherung, ob mit meinen Daten so umgegangen wird, wie ich das auch hier in Europa erwarten könnte.

Die EU-Kommission sagt: Seit Dienstag müssen Sie nicht mehr vertrauen. Dann tritt das Privacy Shield in Kraft, das europäischen Unternehmen die Übermittlung von Nutzerdaten in die USA erleichtert, aber gleichzeitig Schutz vor Überwachung bieten soll.

Einen Schutz vor Überwachung bietet es nicht. Im Vergleich zur Safe-Harbor-Vereinbarung, dem Vorgänger des Privacy Shield, der im vergangenen Jahr vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurde, hat sich gar nicht so viel verändert. Es ist nur viel komplizierter geworden.

Inwiefern?

Zum Beispiel wenn Nutzer sich beschweren wollen. Dann werden sie erst zu einem ­Streitschlichtungsgremium geschickt, bevor sie sich bei der US-Wettbewerbsbehörde beschweren können. Und wenn sie es dorthin geschafft haben, brauchen sie einen Anwalt, der eine US-Zulassung hat. Das macht es für europäische Nutzerinnen und Nutzer unheimlich schwer, ihre Rechte einzufordern.

Rechnen Sie damit, dass der EuGH auch diese Vereinbarung kippt?

Es ist sehr wahrscheinlich, dass der EuGH das Privacy Shield kippt. Ich bin sicher, dass sich eine Datenschutzbehörde finden wird, die das Gericht zu einer entsprechenden Prüfung auffordert. Wahrscheinlich schneller, als es einigen lieb ist.

Wie müsste ein Abkommen aussehen, das die Daten europäischer Nutzer wirklich schützen würde?

Dafür müssten in den USA die wirklich vergleichbaren Datenschutzstandards gelten wie in Europa. Die US-Regierung müsste also neue Gesetze beschließen. Dazu gehört etwa, dass Daten nicht mehr anlasslos gesammelt werden dürfen. Und ganz wichtig: Es muss auf Bundesebene ein einheitliches Datenschutzrecht für Unternehmen geben.

Halten Sie es für realistisch, dass die USA auf europäischen Druck Gesetze beschließen?

Das ist gar nicht so unrealistisch, wie man meinen könnte. Schon 2012 haben die USA einen ­Vorschlag für ein Datenschutzgesetz diskutiert – das ist leider im Kongress hängen geblieben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein solches Gesetz unter einer Clinton-Regierung tatsächlich realisiert wird. Aber dazu muss Europa weiter Druck machen.

InterviewSvenja Bergt