Verhandlungen zum TTIP-Abkommen: Gabriel sieht schwarz

Das Wirtschaftsministerium zieht eine desolate Bilanz der TTIP-Verhandlungen. Die Kanzlerin pocht dennoch auf einen schnellen Abschluss.

Sigmar Gabriel sieht traurig aus

„Einigungschancen gering“: Sigmar Gabriel glaubt offenbar nicht an einen baldigen Abschluss Foto: dpa

BERLIN taz | Seit drei Jahren verhandeln die EU-Kommission und die US-Regierung bereits über das Freihandelsabkommen TTIP – jetzt räumt das Bundeswirtschaftsministerium ein, dass es hinten und vorne hakt. Eine Analyse aus dem Hause Sigmar Gabriels (SPD) kommt zu dem Ergebnis, dass es keine substanziellen Fortschritte gibt.

Bundesregierung, EU-Kommission und US-Präsident Barack Obama hatten bisher stets wiederholt, dass sie das Abkommen bis Ende des Jahres zu Ende verhandeln wollen. Das allerdings scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

„Bisher gibt es in keinem der 27 bis 30 Kapitel, die das TTIP-Abkommen am Ende umfassen könnte, eine Verständigung in der Sache“, heißt es in dem 25-seitigen Papier des Bundeswirtschaftsministerium, das der taz vorliegt.

Darüber könnte es nun zum Streit in der Koalition kommen: Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ in Berlin durch eine Sprecherin ausrichten, sie halte an einem „zügigen Abschluss des Abkommens“ fest – was so viel heißen soll wie: Der Wirtschaftsminister soll hier mal nicht die Regierungslinie verlassen. Gabriel wiederum ließ durchblicken, dass das Papier aus seinem Ministerium seine Meinung wiedergebe.

Am Tag zuvor zitierte das Handelsblatt exklusiv aus dem Gutachten und anonym einen Regierungsvertreter mit den Worten: „Merkels Zeitplan hat keine Basis. Was die Kanzlerin der Öffentlichkeit präsentiert, ist von grober Unkenntnis geprägt.“ Offenbar eine gezielt über die Zeitung lancierte Kampfansage Gabriels an Merkel, um beim in der Bevölkerung ungeliebten Thema Freihandel Boden gutzumachen.

„Einigungschancen gering“

In dem Papier selbst sind die strittigen Punkte in seltener Offenheit aufgelistet. Washington hält etwa an der „Buy American“-Klausel fest, dass bei öffentlichen Aufträgen inländische Firmen bevorzugt werden. Die EU-Kommission fordert dagegen einen Marktzugang für Firmen aus Europa. Fazit: „Einigungschancen gering.“

Ein weiterer Punkt ist, dass zwar beide Seiten eine Kooperation von Behörden wollen, wenn es um Regularien für die Wirtschaft geht. Die EU allerdings mit dem Ziel, die Schutzstandards für die Bürger hoch zu halten, die USA vorrangig, um Handelshemmnisse abzubauen. Fazit: „Grundlegende Fragen offen.“

Überhaupt keine Einigung gibt es auch über den umstrittenen Investitionsschutz für die Wirtschaft – hier lehnen die USA ordentliche Handelsgerichte statt geheimer Schiedsgerichte schlicht ab.

Für den SPD-Bundestagsabgeordneten und TTIP-Berichterstatter Dirk Wiese ist klar, dass die Verhandlungen in diesem Jahr nicht mehr abzuschließen sind. „Mein Vorschlag wäre, die Verhandlungen einzufrieren und dann mit einer neuen US-Regierung, hoffentlich unter Clinton, im nächsten Jahr mit einem veränderten Verhandlungsmandat und transparent neu zu beginnen“, sagt er der taz.

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