Post Zettel im Briefkasten, Nachbar verreist? Das soll es bald nicht mehr geben. Logistiker arbeiten an der Zukunft der Zustellung
: Ihr Paket ist da

Dieser Lieferroboter, hier unterwegs in London, fährt auch bald durch Hamburg Foto: Daniel Zylbersztajn

Aus Berlin und London Svenja Bergt
und Daniel Zylbersztajn

Durch die Fußgängerzone in London fährt in diesen Tagen ein kleiner weißer Kasten auf sechs Gummirollen, der aussieht, als wäre er der kleine Bruder von R2D2 aus „Starwars“. Jemand ruft: „Hey, eine rollende Mülltonne!“

Der Kasten heißt Starship, genauso wie die Firma, die ihn herstellt. Starship wurde von Ahti Heinla und Janus Friis gegründet, die zusammen schon Skype entwickelt haben. Heinla hatte vor vier Jahren an einem Wettbewerb der Nasa teilgenommen, bei dem ein Roboter vorgestellt werden sollte, der auf dem Mars Proben sammelt. Aus seinem Vorschlag wurde schließlich ein Roboter, der die Logistikbranche hier auf der Erde verändern könnte. Er kann eine Ladung bis zu 10 Kilogramm in einem Umkreis von 5 Kilometern transportieren. ­Bewegungssensoren, neun Kameras, ein Alarm und ein Kommunikationssystem mit der Zentrale sollen verhindern, dass Unbefugte den Inhalt des Fahrzeugs an sich nehmen.

„Die Enddistanzen von Lieferungen sind die teuersten Abschnitte des Lieferwegs“, sagt Henry Harris-Burland, der für das Marketing bei Starship zuständig ist. Er glaubt, dass Hauslieferungen nur noch einen Euro kosten, wenn der Roboter flächendeckend eingesetzt wird. Dazu müsste jedoch der gesamte Lieferablauf bei Starship automatisiert werden. Heinla, Friis und 45 Mitstreiter arbeiten gerade daran.

Zentrale Fernsteuerung

In zwölf Ländern wurde der Roboter bislang getestet, 10.000 Kilometer hat er zurückgelegt. Demnächst kommt er auch nach Deutschland: Ende August, so ein Sprecher des Logistikunternehmens Hermes, soll er über Hamburger Gehwege rollen. In Düsseldorf soll das Gerät für die Metro-Gruppe unterwegs sein.

Roboter sind nicht die einzige Erfindung, auf die Logistikunternehmen neuerdings setzen. Das Ziel ist: Wege vermeiden oder automatisieren.

Eines der niedrigschwelligen Angebote sind die Paketkästen. Ähnlich wie bei Briefkästen können die Paketboten hier ihre Sendungen ablegen und vermeiden so, die Adresse ein weiteres Mal anfahren zu müssen, wenn der Empfänger gerade nicht da ist. Einen anderen Weg probieren DHL und Smart: Die beiden Unternehmen kooperieren seit wenigen Wochen bei der Zustellung von Paketen im Kofferraum. Im vergangenen Jahr lief bereits ein entsprechendes Pilotprojekt mit Amazon und Audi. Die Idee ist weniger revolutionär, als sie klingt – schließlich lässt sich beispielsweise auch beim Carsharing das gleiche Auto von unterschiedlichen Personen öffnen, ganz ohne Weitergabe eines Schlüssels.

In der bayerischen Gemeinde Reit im Winkl ließ sich Anfang des Jahres die Zukunft der Paketzustellung beobachten, wie sie sich Amazon und Google vorstellen. In Bayern war es allerdings das Unternehmen DHL, das Pakete per Drohne transportieren ließ. Für DHL war es die dritte Testphase und die zweite, bei der die Fluggeräte nicht manuell gesteuert werden. In Sachen Drohnen liefern sich mehrere Unternehmen einen Wettlauf: Google testet sie in Australien und in den USA, Amazon hat kürzlich eine Genehmigung der britischen Luftverkehrsaufsicht für einen Feldversuch erhalten.

„Die Branche tastet noch herum“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. An drei Faktoren macht er es fest, ob eine der neuen Zustellungsideen Erfolg hat – oder scheitert: Komfort für die Nutzer, Preis für die Unternehmen und Auswirkungen auf die Umwelt, also etwa Emissionen oder potenzielle Gefahren. Beispiel Drohne: Hier wäre der Komfort für den Nutzer – eine deutlich schnellere Lieferung – wohl hoch. Allerdings ebenso die Kosten für das Unternehmen. Und die Drohnen könnten zur Gefahr für Passanten oder für den Flugverkehr werden.

Auch der Lieferroboter ist noch nicht ausgereift: So kann er zwar Bordsteinkanten überwinden, aber keine Treppen. Straßen allein kreuzen darf er nicht. Stattdessen baut das Gerät eine Verbindung zur Zentrale auf, von wo aus ihn ein Mitarbeiter lotst. Um komplett autonom im Einsatz zu sein, muss er seine Umgebung zu hundert Prozent richtig einschätzen können. Das ist noch nicht der Fall – die beste Rate erzielten derzeit die Roboter im Silicon Valley mit 90 Prozent. Am Alexan­der­platz in Berlin wird man diese Fahrzeuge eher nicht antreffen, die vielen Menschen würden sie verwirren. Im Zweifel bleiben sie einfach stehen. Das Einsatzgebiet sind daher eher vorstädtische Regionen.

Dudenhöffer hält die Lieferroboter dennoch – neben der Zustellung im Kofferraum – für eine der Entwicklungen, die in Zukunft stärker eingesetzt werden könnten, weil sie keine großen Gefahren verursachen. Die Roboter sind mit 6 Kilometern pro Stunde langsam und nicht gerade groß, würden also keine Passanten umfahren. Zum Pro­blem könnten sie höchstens werden, wenn sie in der Masse eingesetzt würden. Lieferroboter zu Hunderten in der Fußgängerzone – unpraktisch.

Und wie sieht es aus mit den Arbeitsplätzen? „Zurzeit kann man noch nicht beurteilen, ob das überhaupt einen Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat“, sagt Uwe Köpke von Verdi. Sowohl Lieferroboter als auch Drohnen sieht er zumindest für die nahe Zukunft nicht als Bedrohung – schließlich könnten die immer nur ein Paket transportieren. Ein kompletter Lieferwagen samt Personal lasse sich damit nicht mal eben ersetzen.