Söder, Seehofer und der Weltuntergang

Macht Auf dem Parteitag in München gibt sich die CSU ein neues Grundsatzprogramm. Am Rande des Podiums wird man über Nachfolge oder Verbleib Horst Seehofers diskutieren, mit viel „Quatschi-Quatschi“

Markus Söder (links) und Horst Seehofer: Bayern ist klein für diese zwei Egos Foto: Foto:Sven Hoppe/dpa

aus München Dominik Baur

Es vergehen nur wenige Sekunden, bis Horst Seehofer selbst den Weltuntergang relativiert hat. Da müsse schon der Himmel über Bayern zusammenbrechen, dass er schon vor Ende der Legislaturperiode im Herbst 2018 sein Amt als Ministerpräsident aufgebe, hat er eben noch gesagt. Doch dann: „Das können Sie als Politiker nie ausschließen.“ Und kurz zuvor wollte der Politiker im ZDF noch nicht einmal eine Spitzenkandidatur für den Bundestag im kommenden Jahr ausschließen.

Solchermaßen von ihrem Chef verwirrt geht die CSU in ihren diesjährigen Parteitag am kommenden Freitag und Samstag. Denn nicht wenige Christsoziale beschäftigt derzeit die Frage, wer Partei und Land in Zukunft führen wird. Offiziell ist das auf dem Parteitag jedoch kein Thema, um das neue Grundsatzprogramm der Partei soll es stattdessen gehen.

Ein Grundsatz kommt in dem 41 Seiten starken Entwurfspapier jedoch nicht vor: „Wir brauchen jetzt keine Personaldiskussion.“ Was fast schon erstaunlich ist. Denn schließlich wird kein Satz von CSU-Politikern derzeit ähnlich häufig wiederholt – freilich nicht, ohne dem Spruch dann immer gleich den neuesten Beitrag zu eben jener Diskussion folgen zu lassen. Auch Parteichef Seehofer, der für solcherlei Geplänkel sogar das bayerische Politvokabular um den Begriff des „Quatschi-Quatschi“ erweitert hat, beteiligt sich nur allzu gerne daran.

Sicher ist zumindest schon mal Folgendes: Im kommenden Jahr wird Markus Söder, Finanzminister in Bayern, von Horst Seehofer den Parteivorsitz übernehmen – es sei denn, Seehofer bleibt im Amt oder überlässt den Vorsitz jemand anderem. Außerdem steht fest, dass der neue (oder alte) Vorsitzende spätestens nach der Landtagswahl im Jahr 2018 auch das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen (beziehungsweise behalten) oder es jemand anderem überlassen wird. Alles, was darüber hinaus geht, ist reine Orakelei.

Das Problem: 2017 ist Bundestagswahl, und Horst Seehofer möchte die CSU hierfür in Berlin gut aufgestellt wissen. Das ist verständlich. Seehofer prophezeit einen knallharten Wahlkampf, bei dem die CSU sich nur behaupten könne, wenn sie mit einem „Alphatier“ in Berlin vertreten sei. Er könne schließlich nicht „ewig den Libero machen“, beklagte sich Seehofer jüngst via Bild am Sonntag. „Einmal soll ich die absolute Mehrheit in München holen und dann die bayerischen Interessen in Berlin durchsetzen.“ Damit die Partei sich „personell verbreitere“, so lockte Seehofer, wäre er auch bereit, den Parteivorsitz abzugeben.

Angela Merkel kommt nicht zum CSU-Parteitag. Dies teilte Horst Seehofer seinem Parteivorstand offiziell mit. Er begründete dies nach Teilnehmerangaben damit, dass man kein Schauspiel abgeben, sondern ehrlich mit der Bevölkerung umgehen wolle. Man wolle keine Gemeinsamkeit inszenieren. Denn in der Zuwanderungsfrage habe man bei Weitem noch keine Einigung erzielt. Nötig sei „ein in sich schlüssiges Konzept, das wir noch nicht haben“. Es ist das erste Mal in Merkels Kanzlerschaft, dass sie nicht zu einem CSU-Parteitag kommt. Seehofer betonte, die Entscheidung sei in Übereinstimmung erfolgt. Ob er selbst zum CDU-Parteitag im Dezember fahren wird, ließ er offen. Seehofer rief die Unionsparteien ungeachtet ihrer Differenzen zum gemeinsamen Kampf gegen ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene auf. (dpa)

Viele wollten darin eine Aufforderung an Markus Söder sehen, nach Berlin zu gehen – und gleichzeitig einen geschickten Schachzug Seehofers, den ungeliebten Parteifreund loszuwerden. Denn zumindest als Ministerpräsident käme Söder dann wohl fürs Erste nicht infrage. Aber genau das will Söder werden. So sehr die CSU ansonsten für schnelle Abschiebungen eintritt, so sehr pocht Söder in diesem Fall auf sein Bleiberecht. Bleibt er aber, könnte ihm das den Vorwurf einbringen, er habe die Interessen der Partei den eigenen hintangestellt.

Geht es also wieder mal nur um die Befindlichkeiten zwischen den beiden CSU-Schwergewichten? Dass Seehofer und Söder sich nicht wirklich leiden können, ist in Bayern Allgemeingut, wird von beiden auch eher pflichtschuldig als überzeugend bestritten. Immer wieder heißt es, Seehofer glaube, Söder habe der Bild 2007 erzählt, dass er, Seehofer, eine außereheliche Affäre habe, und so seinen ersten Anlauf auf den Parteivorsitz torpediert. Doch das sind recht viele Konjunktive für einen Satz. Vielleicht ist es schlicht so, dass die CSU-Spitze nicht genug Platz für zwei derart große Egos bietet. Zudem entstammen die beiden Zweimetermänner völlig unterschiedlichen politischen Kulturen. Während Seehofer durchaus von – vor allem sozialpolitischen – Grundsätzen getrieben ist, unterstellen Beobachter seinem Kontrahenten allenfalls karrierepolitische Grundsätze.

Beim letzten Parteitag hat Seehofer sein schwieriges Verhältnis zu Söder schon einmal direkt angesprochen – und heruntergespielt. „Ich mach Fehler“, sagte er, „Markus Söder macht Fehler.“ Es werde immer mal wieder „gewisse Vorkommnisse mit einem gewissen Unterhaltungswert“ geben, bei allen Scharmützeln werde aber immer das Parteiwohl an erster Stelle stehen.

Soll tatsächlich ein neuer Parteichef der CSU in Berlin stärkeres Gewicht verleihen, bleibt nicht mehr viel Zeit. Turnusmäßig wird der Vorstand erst im nächsten Herbst wieder gewählt. Dann ist die Bundestagswahl gelaufen. Am wahrscheinlichsten wäre daher ein Sonderparteitag im Frühjahr. Seehofer selbst kündigte an, die Personalentscheidungen würden im ersten Quartal 2017 fallen.

„Ich mach Fehler. Markus Söder macht Fehler“

Die beiden Schwer­gewichte kommen aus unterschied­lichen Kulturen

Horst Seehofer

Heiß wird in der CSU auch die Grundsatzfrage diskutiert, ob eine Trennung der beiden Ämter der Partei mehr oder weniger Durchschlagskraft verleihen würde. Söder ist natürlich dafür, beides in einer Person zu vereinen, in seiner. Seehofer sieht das neuerdings anders. Ein Blick auf die Parteigeschichte zeigt, dass es in der CSU bisher durchaus gängige Praxis war, das Ministerpräsidentenamt vom CSU-Vorsitz zu trennen. Und dass jemand beide Ämter gleichzeitig antrat, hat es vor Seehofer noch nie gegeben.

Aber wer außer Söder käme überhaupt für die Seehofer-Nachfolge in Frage? Parteivize Manfred Weber? Regierungsvize Ilse Aigner? Innenminister Joachim Herrmann? Oder gar ein Überraschungskandidat, den momentan noch niemand auf der Rechnung hat?

Die „bayerische Staatskanzlei“ jedenfalls hat vergangene Woche schon mal eine Stellenanzeige aufgegeben. Ein „Bundespräsident (m/m)“ wurde darin gesucht. Das gewünschte Profil: „Zwischen 48 und 50, tier- und frauenlieb, stattliche Erscheinung, Erfahrung in der Leitung heimatbezogener Ministerien …“ Als Aufgaben wurden unter anderem „viele Reisen außerhalb Bayerns“ und das „Ausmischen aus dem politischen Tagesgeschäft“ genannt. Um irrtümliche Bewerbungen vollends auszuschließen, folgte noch der Hinweis: „Bei gleicher oder höherer Qualifikation wird Markus Söder bevorzugt.“ Gut, verbreitet wurde die Anzeige via Twitter vom BR-Satiremagazin Quer, ihre Authentizität ist daher nicht zweifelsfrei gesichert. Horst Seehofer jedenfalls dürfte sie gefallen haben.