Amerikanischer Albtraum

Was wird nun aus der „langen, schönen Mauer“ zu Mexiko? Was ausder Nato? Was aus dem Atomvertrag mit dem Iran?

Blankes Entsetzen

MEXIKO Der Peso stürzt ab. Das Land ist wirtschaftlich von den USA abhängig

BERLIN taz | Die große Party fiel aus. Mehrere Tausend Menschen wollten in der Wahlnacht am „Engel“, der Unabhängigkeitsstatue im Herzen von Mexiko-Stadt, die Niederlage des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump feiern. Doch dann kam nur eine Journalistin, die die Organisatoren auf Twitter verzweifelt anfragte: „Wo seid ihr?“ Wie die meisten Mexikanerinnen und Mexikaner hatte die Reporterin offensichtlich ganz selbstverständlich auf einen Sieg Hillary Clintons gesetzt. Die linke Tageszeitung La Jornada titelte in ihrer Printausgabe noch: „In wenigen Stunden ist der Sieg Hillarys eine Tatsache.“

Kaum war die Schreckensbotschaft jedoch aus dem Norden angekommen, reagierten Kommentatoren aller politischer Couleur entsetzt: „Das US-amerikanische Volk hat gestern den Weg des Rassismus, des Hasses und der Intoleranz gewählt“, schrieb die der regierenden PRI nahestehende Tageszeitung El Universal. Trump hat im Wahlkampf angekündigt, zwischen Mexiko und den USA eine „lange, schöne Mauer“ zu bauen und mexikanische Migranten als Vergewaltiger, Kriminelle und Drogensüchtige bezeichnet.

Rekordtief

„Zum Erzittern“, kommentierte die bürgerlich-konservative La Reforma das Ergebnis der Wahl. Bis zum späten Abend war der Wert des Peso über 13 Prozent gesunken und stand auf einem Rekordtief.

Es ist wohl kaum damit zu rechnen, dass Trump tatsächlich Millionen illegal in den USA lebende Mexikanerinnen und Mexikaner ausweist. Aber die mexikanische Wirtschaft ist stark von den nach Hause überwiesenen Geldern der Migranten abhängig. Sollte der Republikaner, wie angedroht, im Zuge einer protektionistischen Wirtschaftspolitik das Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen, hätte das gravierende Folgen: 81 Prozent der Exporte gehen zum nördlichen Nachbarn, 2015 betrug das Handelsvolumen zwischen den Staaten 533 Milliarden US-Dollar.

Der New Yorker Finanzanalyst Benito Berber sprach von einem historischen Moment: „Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der sich die US-Ökonomie so negativ auf die mexikanische auswirken hätte können wie jetzt.“

Noch in der Nacht trafen sich Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto, einige seiner Minister sowie der Chef der mexikanischen Staatsbank. Eine Stellungnahme gab es zunächst nicht.

Der Linke Andrés Manuel López Obrador, der bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2018 zum dritten Mal kandidieren will, reagierte gelassen auf Trumps Erfolg: Es gebe kein Grund zur Besorgnis, sagte er in einer Videobotschaft, Mexiko sei weder eine Kolonie noch ein Protektorat, sondern „ein freies, unabhängiges, s­ouveränes Land“. Wolf-Dieter Vogel