Biathlet Lesser über Doping: „Ich find’s nur traurig“

Erik Lesser über den Umgang mit Dopingfällen in seinem Sport, über die Schnellmachmittelchen Meldonium und Salbutamol – und über Ole Einar Björndalen.

Einige Biathleten, vorneweg Erik Lesser

Hatte Belastungsasthma mit 17: Erik Lesser beim Sommertraining auf Rollen Foto: Imago / Jan Hübner

taz: Herr Lesser, in diesem Sommer gab es zwei große Sportereignisse, die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro. Schalten Sie da nebenher auch mal den Fernseher an?

Erik Lesser: Olympia hat mich ziemlich interessiert. Im Lauf der Jahre lernt man ja auch den einen oder anderen Sommersportler kennen. Dadurch hat man eine andere Verbindung zu den Sportlern, wenn man sie im Fernsehen sieht. Da war ich also intensiv dabei, bin aber natürlich nicht nachts um drei zum 100-Meter-Finale aufgestanden. Tagsüber habe ich aber meistens Olympia geguckt, weil ich zu dem Zeitpunkt meinen zweiwöchigen Ausfall mit einer etwas hartnäckigeren Erkältung hatte. Die Fußball-EM hat mich in der Gruppenphase nicht interessiert, das war anfangs ja nicht so ansehnlich. Aber die K.-o.-Spiele hab ich dann natürlich schon angeschaut.

Ein großes Thema vor und während der Sommerspiele in Rio war nach den Doping-Enthüllungen das Hin und Her über die Teilnahme der russischen Athleten. Wie war Ihr Gefühl, als Sie während der Spiele dann zumindest Teile der russischen Mannschaft im Fernsehen sahen? Ihr Wintersportkollege Felix Neureuther schlug ja vor, alle russischen Athleten für Rio zu sperren.

Ich bin immer ein fairer Betrachter. Für den Sport hätte ich mir sehr gewünscht, dass das IOC gesagt hätte: Wir ziehen jetzt einen Strich, es darf gar keiner mitmachen. Auf der anderen Seite kann ich die Entscheidung ein Stück weit nachvollziehen, einigen Athleten aus dem russischen Team die Teilnahme zu erlauben – unter der Voraussetzung, dass sie glaubhaft nachweisen können, regelmäßig von einer anerkannten und neutralen Anti-Doping-Agentur kontrolliert worden zu sein. Andererseits bin ich mir eben nicht so sicher, ob das in der Kürze der Zeit tatsächlich so verlässlich geprüft werden konnte. Von daher war das von außen betrachtet eine etwas holprige Entscheidung, sie doch laufen zu lassen. Unabhängig davon hätte ich es für den Sport gut gefunden, wenn man gesagt hätte: Das lassen wir nicht mit uns machen, wir statuieren ein Exempel und kein russischer Athlet darf teilnehmen.

Vier Dopingfälle gab es im Lauf dieses Jahres auch im Biathlon wieder, bei allen war das Kreislaufmittel Meldonium im Spiel. Zwei Athleten aus der Ukraine, der russische Juniorenweltmeister Eduard Latypow und die Rumänin Eva Tofalvi als prominentester Fall waren betroffen. Wie hat sich dadurch Ihr Blick auf die eigene Sportart verändert – die in Sachen Doping ja eine lange Geschichte hat?

Eine gewisse Skepsis schwingt da schon mit. Grundsätzlich muss man hinterfragen, warum ein gesunder Sportler so ein Herzmedikament nehmen muss. Ich weiß gar nicht, ob das Mittel einen tatsächlich schneller macht. Ich find’s nur traurig, dass manche Athleten offensichtlich relativ schnell zu Medikamenten greifen, wenn man sich dadurch eine Leistungssteigerung verspricht. Von den möglichen Nebenwirkungen mal ganz abgesehen. Ich finde es auch ziemlich eigenartig, dass der Biathlon-Weltverband das Verfahren erst einmal ausgesetzt hat – mit Verweis auf eine laufende Studie der Wada zur Halbwertszeit von Meldonium. Und dass nun erst im Nachhinein versucht wird, das Ganze aufzuklären.

Ein etwas schwammiger Umgang mit der Problematik.

Ja, ähnlich wie der Umgang mit dem Asthmamittel Salbutamol, das bei den Norwegern offenbar regelmäßig verwendet und beim Skilangläufer Martin Johnsrud Sundby [zwei Mal Sieger im Gesamtweltcup, d. Red.] nachgewiesen wurde. Wenn man eine gesunde Lunge und keine Ausnahmegenehmigung hat, kann man schon mal hinterfragen, warum jemand leichtfertig und ohne Indikation Medikamente in Überdosen zu sich nimmt – das passiert ja offenbar. Oder weshalb Grenzwerte einfach so überschritten werden können. Ich hatte mit 17 Jahren auch mal Belastungsasthma. Man hat mir damals für ein Jahr ein Mittel verschieben. Ich hab’ dann meine zwei Hübe genommen – und im normalen Zustand keine Verbesserung meiner Leistungsfähigkeit bemerkt.

Bei den Winterspielen in Sotschi holte Lesser, 28 Jahre alt, die einzige Einzelmedaille für die Skijäger des Deutschen Ski-Verbandes, setzte mit seinem Sieg in der Verfolgung auch bei der Weltmeisterschaft 2015 das Highlight.

Was erwarten Sie im Weltcup generell? Alles wie immer? Oder doch die eine oder andere Überraschung?

Ich schätze mal, es werden dieselben vier wie immer sein: Martin Fourcade, Johannes Thingnes Boe, Anton Schipulin und Simon Schempp. Überraschungen wird’s in einzelnen Rennen sicher immer wieder mal geben. Aber über die komplette Saison gesehen, werden es die vier wahrscheinlich unter sich ausmachen.

Was fällt Ihnen zu Evergreen Ole Einar Björndalen, 42, aus Norwegen ein, der neuerdings als Vater in seine 24. Weltcup-Saison geht?

Es ist auf alle Fälle mal schön, dass er in seinem Alter eine Frau gefunden hat, mit der er eine eigene Familie gründen konnte [mit der weißrussischen Biathletin Darija Domratschewa; d. Red.].Frauen sagen ja, mit 30 muss es so langsam mal losgehen. Er sagt halt: Mit 40 kann’s losgehen. Ich denke, er wird trotzdem wieder seine Ergebnisse bringen und einer der Athleten sein, die es zu schlagen gilt.

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