Debatte Syrienkrieg: Lasst uns nicht allein!

Unser syrisch-palästinensischer Autor gibt Deutschlands erste arabische Zeitung „Abwab“ heraus. Er fordert ein internationales Eingreifen.

Gräber in Aleppo. Im Hintergrund Trümmer

Es war mal eine Stadt: Gräber in Aleppo Foto: reuters

Aleppo ist zerstört, Syrien auch. Es gibt 14 Millionen syrische Flüchtlinge, über eine halbe Million Getötete. Aleppo wurde zerstört, aber nun ist die Stadt wie die Welt.

Ich bin absolut nicht optimistisch. Nicht nur was Syrien angeht, sondern die ganze Welt. Diese Welt, die sich nicht kümmert, außer wenn das Problem an ihren Grenzen landet. Aus Unwissenheit glauben viele Deutsche offenbar, dass Putin Syrien vom Terrorismus befreit. Menschenrechte, die die „entwickelten Länder“ für sich in Anspruch nehmen, erweisen sich als zerbrechlich und falsch – meinen sie damit doch nur ihre Menschen, die in ihrem Land leben, ihre Staatsangehörigkeit besitzen, ihre Farbe haben. Obwohl sie Zugriff auf Nachrichten und Informationen über Menschenrechtsverletzungen haben, interessiert es sie nicht. Bringen sie doch etwas in Erfahrung, bedeutet das noch lange nicht, dass sie eingreifen.

In Frankreich gab es einen Terroranschlag. Daraufhin beschloss Frankreich, sich zu rächen, bombardierte Syrien – einfach so, kaltblütig. Alle diese westlichen Länder beteiligen sich an der Tötung des syrischen Volks. Einige von ihnen bombardieren direkt, andere indirekt, sie gründen Koalitionen, um den Terrorismus zu bekämpfen und töten dabei auch Kinder. Wieder andere verkaufen Chemiewaffen an Assad und Waffen an die Opposition.

Die Intervention dieser Länder hat es unmöglich gemacht, eine Lösung zu finden, haben sie doch nur interveniert, um das Machtgleichgewicht zu halten, und nicht, um den Krieg zu beenden. Mit Ausnahme von Russland, das kämpft, um Assad zum Sieg zu verhelfen.

Laut der Vereinten Nationen hat das die Lage verkompliziert. 58 Prozent der Syrer leben unterhalb der Armutsgrenze. 5 Millionen werden belagert. 13 Millionen benötigen humanitäre Hilfe, darunter sind 5,8 Millionen Kinder. Mehr als die Hälfte der Bürger haben nach 2011 ihre Häuser verlassen. 4,3 Millionen Menschen leben im Freien, unter unmenschlichen Bedingungen. Über ein Drittel aller Schulen wurden geschlossen. All diese humanitären Katastrophen – und das Einzige, was die Europäer sehen, ist die Flüchtlingskrise.

Friedenstruppen sind die einzige Lösung

Eine Lösung scheint nur mit internationaler Intervention nach Kapitel 7 der UN-Charta möglich zu sein. Friedenstruppen sollten eingesetzt, alle Waffen gewaltsam entzogen werden, so wie es die Vereinten Nationen im Kosovo gemacht haben. Die Bekämpfung des „Islamischen Staats“ (IS) reicht nicht aus.

Seit März 2011 fordern die Syrer Freiheit, Demokratie, Würde und den Sturz des diktatorischen Regimes. Die Verwendung wohlklingender Ausdrücke wie „Bekämpfung des Terrorismus“ ist skandalös und zeigt die Zerbrechlichkeit der Idee der internationalen Staatengemeinschaft. Es zeigt auch die Schwäche der UN und ihre Unfähigkeit, ihre Aufgaben zu erfüllen. Selbst die politischen Verhandlungen zwischen der Opposition und dem Regime wurden in Genf für tot erklärt.

Amerika und Europa müssten auf Russland Druck ausüben, damit die ihr Vetorecht nicht nutzen. Der Krieg muss beendet und ein demokratischer Übergang in Syrien ohne Assad eingeleitet werden. Das sollte umgesetzt werden, und zwar mit Druck. Ansonsten ist jeder an diesem desaströsen Verbrechen beteiligt.

Mit 88 wollte Mama nicht mehr leben – sie hörte auf zu essen und zu trinken. Nach 13 Tagen erlag sie einem Nierenversagen. Ist Sterbefasten Suizid? Das Gespräch mit der Buchautorin Christiane zur Nieden lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. Dezember. Außerdem: Wieso es unmöglich ist, die Erde perfekt auf einem Blatt Papier abzubilden. Und: Warum 2016 besser war als sein Ruf. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Die Syrer verlangen nichts weiter, als in Würde zu leben. Dafür werden sie von der Welt getötet. Die Gefühle von Verrat und Ungerechtigkeit überwältigen die Herzen der Syrer und schaffen eine Mauer zwischen dem, was von ihnen übrig ist, und der Weltbevölkerung.

Es gibt keinen Bürgerkrieg in Syrien, sondern einen Krieg von Russland, dem Iran, der Hisbollah und Assad gegen die Zivilisten, einen Krieg des IS, der Dschabhat Fatah asch-Scham (Al-Nusra Front) und dergleichen gegen die Zivilisten – und einen Krieg der internationalen Koalition gegen die Zivilisten.

Tut etwas. Lasst uns nicht allein!

Übersetzung: Karin El-Minawi

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.