LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Kritik niedergewalzt

betr.: „Noch kein Problem wurde durch Wegschauen gelöst“,taz vom 7. 1. 17

Boris Palmer wird im Interview wie folgt zitiert: „… als Partei kann man nicht auf einer Position beharren, die […] die ganze Republik gegen einen aufbringt.“ Dem würde ich entgegenhalten wollen: Wenn derjenige Teil der Republik, der sich aufgrund seines eklatanten Mangels an Differenzierungsvermögen für die „ganze“ Republik hält, seine offen rassistische Gesinnung dermaßen stolz vor sich her trägt und sich sogar dazu berechtigt fühlt, die leiseste Kritik daran in unanständigster Weise niederzuwalzen, dann ist es die verdammte Pflicht einer Partei, welche sich in glaubwürdiger Art vom rechten Müll abgrenzen will, auf eben jenen Positionen zu beharren, ganz unabhängig davon, ob sie dann auf Wählerstimmen aus den geschlossenen völkischen Reihen verzichten muss. Das erwarten nicht nur „überzeugte taz-Leser“, sondern Millionen von AntirassistInnen, die es in der „ganzen“ Republik (hoffentlich) auch noch gibt.

FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Grün will geliebt werden

betr.: „Das muss man aushalten“, taz.de vom 7. 1. 17

Boris Palmer ist der Meinung, die Frage der Vorsitzenden Peter nach der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes in Köln wäre geeignet, „die ganze Republik gegen sich auf[zu]bringen“. Diese Einschätzung, getarnt als angeblich nüchterne Analyse, beschreibt das Problem, das die Partei Bündnis 90/Die Grünen seit der verlorenen Bundestagswahl 2013 nicht lösen konnte.

Ich war damals im örtlichen Kreisverband im Wahlkampf aktiv und habe insbesondere die kontroversen Positionen zur Steuerfrage und zum sogenannten Veggieday in vielen Diskussionen vertreten. Dass der politische Gegner und der Boulevard mit diesen Teilen des Wahlprogramms nicht einverstanden waren und alles getan haben, um sie zulasten der Partei böswillig zu verfälschen, war keine Überraschung. Dass die WählerInnen auf diese Propaganda hereinfielen, war traurig, aber hinzunehmen. Dass aber nach der verlorenen Wahl keine relevante Stimme in der Partei zu vernehmen war, die Steuerprogramm und Veggieday verteidigt hätten, habe ich nicht verstanden. Dem Druck des Boulevards sich auch noch zu beugen, anstatt aufrecht für die eigenen Positionen zu stehen, war für mich unerträglich.

Und heute, drei Jahre später, will die Partei immer noch vor ­allem geliebt werden. Wo Bild und die professionellen ­Krawallmacher der anderen Parteien absichtlich die Position von Simone Peter verfälschen und lächerlich machen, gibt die Partei klein bei.

So mögen Bündnis 90/Die Grünen vielleicht Teil der nächsten Bundesregierung werden, mit grüner Politik hat das aber dann nur noch dem Namen nach zu tun. LUTZ HORN, Pforzheim

Mainstream-Bashing langweilt

betr.: „Sahra und die Wutbürger“, taz vom 9. 1. 17

Nichts ist langweiliger als Mainstream-Bashing von Sahra Wagenknecht. Schon wenn man die Überschriften liest, braucht man die Artikel nicht mehr lesen. Zitate verkürzt, aus dem Zusammenhang gerissen, ähnliche AfD-Quotes gesucht, Lob von einem rechten Spinner, Kritik von den üblichen lieben „Parteifreunden“ und natürlich auch noch SPD-Barley und CDU-Taubert. Die Wagenknecht-Berichterstattung der taz gleicht der von Bild, SPON und Co. Als ob es keine Diskussion über Brexit, Trump und Front-National-Erfolge gebe, keine kluge Analyse eines Didier Eribon. Die Rassismuskeule und die Querfrontdiffamierung muss das abgehobene linksliberale Wohlfühlmilieu vor der harten sozialen Wirklichkeit schützen.

JOACHIM IMMISCH-WENDT, Lütau

Allgemeine Hexenjagd

betr.: „Fischen am rechten Rand“, taz vom 9. 1. 17

Ich finde es bedauerlich, dass sich die taz an der allgemeinen Hexenjagd auf Sahra Wagenknecht beteiligt.

Mit der Aussage „Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“ bediene Wagenknecht „rassistische Ressentiments“, heißt es. Weit gefehlt, dieser Grundsatz deckt sich voll mit der Genfer Flüchtlingskonvention: Art. 2 benennt die Pflicht des Flüchtlings, die „Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften“ des Landes zu beachten, in dem er sich befindet, und in Art. 32 und 33 wird geregelt, dass ein Flüchtling „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgewiesen werden kann. Und das wird nun von der Bundesregierung umgesetzt, indem ausländische Straftäter und „Gefährder“ schneller abgeschoben werden sollen.

Und dass Frau Wagenknecht Kanzlerin Merkel eine Mitverantwortung „an den Toten vom Breitscheidtplatz“ zuweist, ist keineswegs „schlimm“, wie die Kommentatorin tadelnd meint, sondern völlig zutreffend, allerdings nicht ganz so platt, wie Patricia Hecht es darstellt. Im Stern-Interview vom 5. 1. 17 sagt Frau Wagenknecht auf die entsprechende Journalistenfrage: „Es gibt eine Mitverantwortung, aber sie ist vielschichtiger. […] Ebenso fatal ist die Außenpolitik: die von Merkel unterstützten Ölkriege der USA und ihrer Verbündeten, denen der ‚Islamische Staat‘ erst seine Existenz und Stärke verdankt. […] Und durch die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in der islamischen Welt sind auch wir zur Zielscheibe des Terrors geworden. […] Glauben Sie im Ernst, wir könnten dort bomben und morden – denken Sie an Kunduz – und bei uns geschieht nichts?“ Da hat Frau Wagenknecht recht, und ich hoffe sehr, dass sie sich durch ihre widersprechenden „ParteigenossInnen“ nicht „in die Schranken“ weisen lässt, wie dies die taz verlangt. WALTER RUFFLER, Bremen