Portrait
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Politikerin mit Ecken und Kanten: Bettina Hagedorn Foto: dpa

Die Unbequeme

Es ist ihr fünfter Anlauf, und zum ersten Mal steht sie ganz vorne. Bettina Hagedorn ist die Spitzenkandidatin der schleswig-holsteinischen SPD für die Bundestagswahl am 24. September. Und das, obwohl sie eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten ist: „Ich habe mein Mäntelchen noch nie in den Wind gehängt“, sagt die 61-Jährige, und sie sagt es mit Recht. Anders als ihre Landespartei ist die Frau aus Ostholstein bekennende Gegnerin der Fehmarnbeltquerung, „weil wir dieses größte und teuerste Verkehrsprojekt Nordeuropas nicht brauchen“, so ihre Überzeugung. Hohe Achtung unter Schleswig-Holsteins SozialdemokratInnen genießt die Goldschmiedin vom Bungsberg dennoch.

Oder gerade deswegen, weil die „leidenschaftliche Parlamentarierin“, so ihre Selbstbezichtigung, immer mit offenem Visier kämpft. Seit 2002 sitzt die frühere Bürgermeisterin des 1.500-Seelen-Örtchens Kasseedorf im Bundestag, und von ihren Schwerpunkten Haushalt und Verkehr will sie auch nach der nächsten Wahl nicht lassen: „Da lässt sich viel bewegen“, sagt Hagedorn, die berüchtigt dafür ist, CSU-Verkehrsminister wie Alexander Dobrindt und dessen Vorgänger Peter Ramsauer mit Detailversessenheit und Respektlosigkeit zu martern.

Ihre klare Kante kommt an bei den Nordlichtern in ihrer Partei. Seit 2010 ist die begeisterte Hobbygärtnerin Hagedorn auch stellvertretende SPD-Vorsitzende in Schleswig-Holstein und somit darin gestählt, an der Seite des Parteichefs und „roten Rambos“ Ralf Stegner zu überleben. Was ihr problemlos gelingt, denn wer der geschiedenen Mutter dreier Söhne die Stirn bieten will, darf sich vor Beulen nicht fürchten.

So wie der gerade zurückgetretene Bahnchef Rüdiger Grube, den Hagedorn im Dezember vorigen Jahres zu einer Ausschusssitzung über das Fehmarnbelt-Thema lud – extra um 7.30 Uhr morgens, „weil er gerne lange schläft“, wie sie erzählt. Für Ende Februar hatte sie mit Grube einen ganztägigen Ortstermin an der Zugstrecke zwischen Fehmarn und Lübeck vereinbart, „weil die Bahn zu den Menschen kommen muss“.

Der Termin wackelt jetzt, nicht aber Bettina Hagedorn: „Ich schätze an meiner Partei, dass sie eine Unbequeme wie mich aushält.“ Sven-Michael Veit