Die Störung der Identitären

Diskussion Was tun gegen rechten Druck, auch auf die Kultur? Das Ballhaus Naunynstraße bringt bei „Gegen rechts. Die Kunst, politisch Stellung zu beziehen“ AkteurInnen aus Kultur, Politik und Gesellschaft zusammen

Falk Richters Stück „Fear“ an der Schaubühne wollte Beatrix von Storch (AfD) gerichtlich ändern lassen – und scheiterte damit Foto: Barbara Braun/drama

von Annika Glunz

Rechte Kräfte haben auch in Deutschland zunehmend politisches Gewicht, und es ist dringender denn je, diesen Tendenzen Einhalt zu gebieten, ihnen etwas entgegenzusetzen – auch weil ihr Einfluss auf Kulturetats absehbar wird und sich bereits rechte Angriffe auf Kulturveranstaltungen ereignet haben. Was tun also gegen die rechtskonservative Vereinnahmung?

Unter dem Titel „Gegen rechts. Die Kunst, politisch Stellung zu beziehen“ widmet sich das Ballhaus Naunynstraße dieser Frage in Form einer Gesprächsreihe und bringt hierzu verschiedene AkteurInnen aus Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft zusammen.

Den Auftakt der Diskussionsreihe, die sich als eine Art „öffentlichen Arbeitskreis“ versteht, bestritt am Freitag ein Panel aus sechs Teilnehmenden, moderiert von Adrienne Goehler. Das Thema brennt; die Veranstaltung war restlos ausverkauft.

Migranten für die AfD?

Bianca Klose, Gründerin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin, beklagte die Zunahme neonazistischer Gewalt auf den Straßen und beobachtet, wie sie sagt, eine massive Störung des Kulturbetriebs durch die Identitären.

Zudem bemerke sie starke Handlungsunsicherheiten im Alltag: „Ich werde oft von Kulturbetrieben gefragt, ob man sich nicht der AfD gegenüber neutral verhalten müsse. Schließlich sei die Partei doch nicht verboten.“ Sie verwies auch auf die deutliche Diskursverschiebung nach rechts, die bereits stattgefunden habe: „Wenn man sich für Geflüchtete engagiert, gilt man hierzulande schon fast als links“.

Kazım Erdoğan setzt sich als Vorsitzender des Vereins Aufbruch Neukölln und als Leiter der deutschlandweit ersten Selbsthilfegruppe für türkeistämmige Männer seit Jahrzehnten für gesellschaftliche Teilhabe und ein Miteinander ein. Er verwies darauf, wie wichtig es sei, die Kommunikation untereinander zu stärken, denn: „Die Menschen mit türkischen Wurzeln sind aktuell gespaltener denn je.“

Außerdem beobachte er, dass zunehmend auch Menschen mit Zuwanderungsgeschichten, insbesondere seit der sogenannten Flüchtlingskrise, mit der AfD sympathisierten. Die Menschen müssten sich, so folgert er, dringend über ihre Zuwanderungsgeschichten austauschen und versuchen, im Kleinen Überzeugungsarbeit zu leisten: „Sprechen, sprechen und noch mal sprechen – und gemeinsam handeln“, so sein Rat.

Mit seiner Überzeugung, man müsse sich mit SympathisantInnen rechter Bewegungen direkt auseinandersetzen, sorgte Steffen Mensching, Intendant des Theater Rudolstadt in Thüringen, für die Hauptkontroverse des Abends. Er vertrat die Meinung, nicht mit oppositionellen Kräften zu reden, würde nicht helfen: „Wir müssen uns fragen, was gerade faul ist in der demokratischen Gesellschaft. Wenn wir das nicht tun, werden wir zu einem elitären Haufen“. Rechtskonservative müssten mit Fakten geschlagen werden: „Die Kraft der Demokratie ist doch schließlich der Diskurs“, so Mensching.

Bianca Klose hielt dagegen, sie wundere sich über die häufig geäußerte Absicht, die Ängste der Menschen ernst nehmen zu wollen: „Genau aus einer solchen Argumentation heraus sind diverse Asylrechtsverschärfungen hervorgegangen.“ Stattdessen sei es gerade viel dringender, sich Gedanken darüber zu machen, „was uns eigentlich eint und was wir wollen“.

„Sonst werden wir zu einem elitären Haufen“

Steffen Mensching, Theater-Intendant
Einfluss der „Besorgten“

Aus dem Publikum kamen Äußerungen, die die Meinung Kloses bekräftigten: Es habe eine enorme mediale Verzerrung zugunsten der „besorgten Bürger“ stattgefunden; ihnen sei unverhältnismäßig viel Raum gegeben worden. Nun komme es darauf an, sich diese Räume wieder „zurückzuerobern“. Über die Notwendigkeit, sich mit Rechtskonservativen auseinanderzusetzen, herrschte trotz allem Einigkeit.

Amelie Deuflhard, Intendantin von Kampnagel in Hamburg, die einen temporären Aktionsraum für Flüchtlinge bauen ließ und daher von der AfD wegen Schlepperei angezeigt wurde, betonte: „Eine Aufgabe kultureller Institutionen muss sein, die Menschen sprechen zu lassen, die ansonsten kaum Gehör finden.“

Clara Herrmann, Bezirksstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitglied von B90/Die Grünen, verwies darauf, wachsam zu bleiben, um nicht rechte Argumentationsmuster zu reproduzieren und um der Gefahr einer Instrumentalisierung der Kultur durch Geschichtsrevisionismus zu entgehen. Auf Wachsamkeit verwies auch Torsten Wöhlert, Staatssekretär für Kultur in Berlin, und fragte: „Wie demaskiere ich Demagogie?“.

Trotz zahlreicher noch offener Fragen war am Ende der Auftaktdiskussion eine Sache klar: In Zukunft muss es darum gehen, ungeachtet interner Differenzen gemeinsam als solidarische Einheit gegen rechts anzugehen.