heute in hamburg
: „Das ist eine reelle Gefahr“

Europapolitik In der Körber-Stiftung wird darüber diskutiert, ob Deutschland gerade Europa zerstört

Hans Kundnani

Foto: Marshall Fund

44, arbeitet beim German Marshall Fund, einer US-Stiftung für transatlantische Beziehungen, Autor des Buches „Das Paradox der deutschen Stärke“.

taz: Herr Kundnani, ist der Euro eine Waffe für Deutschland?

Hans Kundnani: Das impliziert ja, dass Deutschland den Euro mit Absicht benutzt, um die anderen zu schlagen. Ich glaube nicht, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Euro absichtlich als Waffe benutzt, sondern, dass er alles tut, um Europa zu retten und die gemeinsame Währung nachhaltig zu machen. Trotzdem – und das ist die Tragödie – führt dies zu einer Schwächung Europas.

Ist es denn wichtig, ob dies mit Absicht geschieht?

Ja, weil es dadurch Unterschiede zur Vergangenheit gibt. Und weil es auch wichtig ist, zu sehen, wie man damit umgeht.

Zerstört Deutschland Europa?

Ich behaupte nicht, dass Deutschland das absichtlich tut. Und es gibt andere Länder, die auch ihren Beitrag dazu leisten – nicht zuletzt mein Land, Großbritannien. Aber: Die Mittellage Deutschlands, geographisch wie politisch, und dass es das mächtigste Land in Europa ist, heißt, dass es die größte Verantwortung trägt. Deswegen kann man behaupten, dass Deutschland in erster Linie für die Folgen der Eurokrise verantwortlich ist.

Inwiefern?

Wie man über den Ersten Weltkrieg als eine Urkatastrophe spricht, die zu den anderen Katastrophen geführt hat, sehe ich die Eurokrise als Urkrise. Das Versagen in der Eurokrise hat auch dazu geführt, dass Europa nicht in der Lage war, eine kohärente Antwort auf die anderen Krisen – die Ukrainekrise und die Flüchtlingskrise – zu finden. Und jetzt gibt der neue US-Präsident andere Rahmenbedingungen vor. Man braucht eigentlich ein sehr geeintes Europa, um darauf eine Antwort finden zu können. Ich fürchte, dass Deutschland und Europa mit der Wahl Donald Trumps den Preis für dieses Versagen zahlen.

Bricht die EU auseinander?

Das ist eine reelle Gefahr. Es gibt aber Allerdings gibt es auch ein Szenario, in dem Europa durch diese Krise zusammenrückt. In den vergangenen sieben Jahren ist das nicht passiert, weshalb ich immer pessimistischer werde. Die gemeinsame Währung ist nicht auseinandergebrochen, sondern die Art von Integration, die die deutsche Politik durchgesetzt hat, stärkt den Euro-Skeptizismus.

Interview: Caren Miesenberger

Podiumsdiskussion „Zerstört Deutschland Europa?“ mit Hans Kundnani vom German Marshall Fund, Martin Kotthaus vom Auswärtigen Amt und Stefan Kornelius, Ressortleiter Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung: 19 Uhr, Körber-Forum, Kehrwieder 12