Die Klangarchitekten

Pop Mit Gitarre, Bass und Schlagzeug kann man schon eine Menge mehr als Rock ‘n‘ Roll machen – Radian bringen ihre Instrumente mit experimenteller Lust für die elektronische Musik ins Spiel. Am Montag gastiert das Trio aus Wien im Roten Salon

Experimentell und elektronisch, ohne dabei die Musik nur aus dem Laptop zu klopfen: Radian Foto: Klaus Vyhnalek

von Lorina Speder

Radian sind eine österreichische Band aus Wien. Und die Musik des Trios klingt so experimentell, elektronisch und international, dass sogar die New York Times, die ansonsten das Ohr nicht so an Österreich hat, schon über Radian schrieb.

Zuletzt brachte die Gruppe im November 2016 ihr sechstes Album, „On Dark Silent Off,“ heraus. Die Instrumentalmusik, die dort aus Geräuschen, Feedbacks und digitalen Spuren erklingt, ist typisch für die Band. Radian gelten als Vorreiter der Electronica-Bewegung, und sie spielen mit Elektro-Signalen und Erwartungshaltungen. So ist es nicht verwunderlich, dass das renommierte und für diese Musik bekannte US-amerikanische Label Thrill Jockey nun bereits seit über zehn Jahren mit dem Trio zusammenarbeitet. Momentan tourt die Band durch ganz Europa, um ihr neuestes Werk live vorzustellen. Am Montag kommen Radian in den Roten Salon der Volksbühne.

Schon Ende der 90er Jahren beschäftigen sich Martin Brandlmayr, John Norman und Martin Siewert mit elektronischer Musik. Sie bringen 1998 ihr erstes Album als Radian auf den Markt und spielen seitdem in der Liga der experimentellen Musik ganz oben mit. Obwohl die musikalische Laufbahn der Bandmitglieder in ihrer Teenagerzeit von Metal und Rock geprägt ist, interessieren sie sich früh für Effekte, fremdartige Sounds und die Möglichkeiten ihrer Instrumente.

Gitarrist Martin Siewert fängt mit sechs Jahren mit Gitarrenunterrricht. Nach verschiedenen Rock-'n‘-Roll-Phasen des Heranwachsens entschließt er sich zu einem Studium der Jazzgitarre. Auch Martin Brandlmayer vertieft mit einem Schlagzeugstudium sein Wissen über die Drums. Und das Beherrschen ihrer Instrumente bringt die Musiker weiter dazu, deren Soundgrenzen auszutesten.

Deshalb kommen die elektronischen Sounds auf ihren Alben nicht, wie man es eigentlich vermuten würde, vom Computer, sondern größtenteils von der E-Gitarre, dem E-Bass und dem Schlagzeug. Und genau das ist es, was Radian in der Electronica-Szene von ihren Kollegen, die oft nur hinter dem Laptop stehen, unterscheidet.

Brandlmayr beschreibt im Gespräch, dass Musik für ihn etwas mit Architektur zu tun habe. Es solle darum gehen, eine Ordnung zu finden, in der man Klänge strukturieren könne. Weil diese Beschreibungen wohl wenig griffig klingen, wird in den Medien oft nach Genres gesucht, mit denen man die Musik der Österreicher beschreiben könnte.

In welche Schublade man Radians Musik nun aber einordnen soll, ist auch unter den Bandmitgliedern noch nicht beschlossen. Einigkeit besteht immerhin darüber, dass das Post-Rock-Label, das ihnen in Artikeln gern angeheftet wird, als durchaus problematisch gesehen wird. Obwohl es sich auch bei Radian, wie für Post-Rock üblich, um instrumentale Musik handelt, beschäftigt sich diese Musikrichtung doch vertieft mit Harmonien. Der Band geht es aber vielmehr darum, Harmonien zu unterbinden. Damit möchten Radian die Aufmerksamkeit auf die Geräusche und Rhythmik in ihrer Musik lenken.

Keine Harmonien. Radian wollen die Aufmerksamkeit auf Geräusche und die Rhythmik lenken

Die verschiedenen musikalischen Einflüsse, die etwa allein beim Bassisten John Norman von den Beastie Boys bis zu My Bloody Valentine reichen, machen die Stücke zudem lebendig und dynamisch – etwas, das man bei elektronischer Musik oft vermisst.

Wegen der Komplexität der Stücke, die sich über verschiedene Geräuschebenen aufbauen und den Zuhörer an Industriebauten und Mechanik denken lassen, wird es live schwierig. Es sei, sagen die Musiker, immer eine Herausforderung, die in monatelanger Arbeit im Studio entstandene Musik live zu präsentieren. Und so kann man bei Konzerten von Radian gespannt zuschauen, woher die elektronischen Geräusche eigentlich kommen. Ein Signal vom Instrumentenkabel wird zum Beispiel bis an die äußerste Grenze verstärkt und kann zum maßgebenden Motiv eines Stücks werden. Oft sind es kleine Bewegungen wie ein Schlag auf den Gitarrenhals, die große Auswirkungen auf ein Stück haben. Das Spiel mit den Elektrosignalen der Gitarre oder des Basses wird live offengelegt und garantiert eine anspruchsvolle Show.

Wie anstrengend so eine Performance ist und wie viel Konzentration die bis ins kleinste Detail geklärten Abläufe erfordern, wird einem erst klar, wenn man sich danach die Platte anhört – kaum ein Unterschied ist zu erkennen. Musik so diszipliniert vorzutragen geht nur, wenn man sich ihr ganz widmet. Und es lohnt sich für das Publikum. Denn noch mehr als auf Platte führt das Livespiel bei Radian wie der Soundtrack eines futuristischen Films durch eine obskure Welt – deren Energie im Raum zu spüren ist.

Radian am Montag, 27. Februar, um 21 Uhr im Roten Salon der Volksbühne, 17 Euro