nord.thema
: Wohnen & Gestalten

verlagsseiten der taz.nord zum thema

Neu bauen mit Geschichte

Upcycling Alte Baumaterialien haben immer noch ihren Reiz – sie werden aus Abbruchhäusern ausgebaut und bei Neubauvorhaben wiederverwendet. Doch wie ökologisch ist das Recyceln der alten Materialien?

Hinter morschen Türen verbergen sich oft wahre Schätze: Balken, Ziegel, Dielen werden von spezialisierten Baustoffhändlern behutsam geborgen und wiederverwendet Foto: Jens Wolf/dpa

von Karolina Meyer-Schilf

Alten, abbruchreifen Häusern und Bauteilen zu einer zweiten oder gar dritten Geschichte zu verhelfen: dafür stehen Baustoffhändler, die sich auf antike Materialien spezialisiert haben. Einer von ihnen ist Martin Blöcher, ein ehemaliger Öko-Landwirt, der seit über 20 Jahren seine Baustoff-Recycling-Firma in Lemgo betreibt und von dort aus in ganz Deutschland unterwegs ist. Auch in Bremen hat er schon viel gebaut.

„Unser Anliegen ist es, das Alte zu erhalten, die Wiederbelebung alter Räume“, sagt Blöcher. Dabei seien er und seine 22 Mitarbeiter „gnadenlos dem Wettbewerb ausgeliefert“: Um den Zuschlag für den Abbruch – was in seinem Fall eher den Rückbau bedeutet – zu erhalten, muss seine Firma im Preis mithalten. Und das ist gar nicht so einfach: „Wir brauchen ein größeres Zeitfenster für den Abbruch, weil wir die Dinge ja erhalten und nicht einfach in den Container schmeißen“ , sagt Blöcher. Also versucht er, masse­intensive Bauteile schon direkt ab Baustelle zu vermarkten, Dachziegel etwa.

Während er die ersten 20 Jahre fast ausschließlich alte Häuser komplett abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgebaut hat, ist dieser Trend inzwischen vorbei: Gesetzliche Regelungen wie etwa die Wärmeschutz-Verordnung schreiben immer mehr vor. Das vermag ein Altbau einfach nicht zu leisten. Also bauen die Leute neu, „energetisch saubere Häuser“, wie Blöcher sagt, und setzen alte Baustoffe nur noch innen ein. Viele setzen dabei auch auf einzelne Details, verwenden antike Baustoffe in Nuancen: „Hier mal ein paar alte Bohlen, da ein Balken,“ sagt Blöcher. Die Baustoffindustrie hat ebenfalls nachgezogen, zumindest optisch. „Viele Leute wollen einfach nur den antiken Look.“ Neues Holz werde chemisch und mechanisch behandelt, sodass es am Ende aussehe, als wäre es 20 Jahre alt. „Das kaufen dann die Leute, denen es um den Antik-Look geht.“

Seinen Kunden hingegen geht es nicht nur um den Look. Ein Bereich, der ungebrochen boomt, ist die Planung und der Bau von Gartenhäuschen aus antiken Materialien. Die Lauben, die Martin Blöcher seinen Kunden in den Garten baut, haben dabei nichts mit den gängigen, gesichtslosen Baumarktmodellen zu tun: Es sind Unikate aus historischem Gebälk, individuell geplant und für weit mehr geeignet als für die Unterbringung von Rasenmäher, Harke & Co. „Die Leute wollen sich in die Planung auch einbringen“, sagt Blöcher.

Manche haben noch alte Dachziegel im Garten liegen, die für die Laube verwendet werden sollen. Andere wollen in ihrem Gartenhäuschen auch mal übernachten können, was wiederum eine höhere Dachdämmung erfordert. „Man kommt oft vom Hölzchen aufs Stöckchen“, sagt Blöcher, möglich sei fast alles, was die gesetzlichen Regelungen hergeben. In Niedersachsen etwa sind bis zu 42 Kubikmeter umbauter Raum genehmigungsfrei. Möchte der Bauherr jedoch einen Ofen installieren oder eine feste Bodenplatte, wird die Laube damit genehmigungspflichtig. Das recycelte Garten-Schmuckstück lassen sich Blöchers Kunden einiges kosten, je nach Ausstattung kostet eine der Edellauben zwischen 15.000 und 35.000 Euro.

Bei aller Liebe fürs historische Detail und antike Baumaterialien spielt auch immer der ökologische Aspekt eine Rolle. Doch wie ökologisch ist die Wiederverwertung alter Materialien wirklich? Blöcher sieht es so: „Eine Sache so lange zu benutzen, wie es geht, ist das ökologischste, was man überhaupt machen kann.“ Als Beispiel führt er den Ersatz alter, einfach verglaster Fenster an: Allein die Herstellung eines neuen modernen Fensters verbrauche so viel Energie, dass sich der Erhalt des historischen Fensters trotz schlechterer Dichtigkeit und Dämmung immer noch rechne.

So sieht es auch Karin Strohmeier, die die Bauteilbörse Bremen leitet. Ihr Beispiel sind historische Badewannen: „Allein bei der Emaillierung geht so unglaublich viel Energie rein, dass sich der Erhalt einer alten, intakten Wanne eher lohnt.“ Umgerechnet auf eine Fahrt mit dem PKW verbrauche die Emaillierung einer Badewanne ungefähr so viel Energie wie eine Fahrt von Bremen nach Bern. Sie beruft sich dabei auf eine Studie, die sie für die Bauteilbörse beim Öko-Institut in Freiburg in Auftrag gegeben hat, um genau das herauszufinden: Wann lohnt der Erhalt, und wann baut man besser etwas Neues ein?

„Eine Sache so lange zu benutzen, wie es geht, ist das ökologischste,was man überhaupt machen kann“

Martin Blöcher, Baustoffhändler

Die Bauteilbörse Bremen hat sich auf Bauteile spezialisiert, nicht so sehr auf Baumaterialien – hier findet sich von der historischen Haustür bis zum modernen, aber gebrauchten Kunststofffenster alles, was Bauwillige gebrauchen können, ob fürs Altbremer Haus in Schwachhausen oder fürs Parzellenhäuschen im Kleingarten. Allerdings sagt Strohmeier auch: „Die Geschichte der Baumaterialien ist zunehmend auch eine Geschichte der Schadstoffe.“

Gerade Holz ist im Laufe der Zeit häufig mit Substanzen behandelt worden, die man dem Material nicht so ohne Weiteres ansieht – „und wenn wir uns unsicher sind, dann muss man einen alten Balken eben aufschneiden und untersuchen lassen, was dort alles drin ist“, erklärt Strohmeier.

Als die Bauteilbörse aus einer alten Kaserne eine große Menge Buchenparkett übernehmen wollte, ergab die Untersuchung, dass das Parkett mit „unglaublichen Mengen Insektenvernichter“ behandelt worden war. Auch früher verwendete Kleber sind nicht immer unbedenklich. Die Bremer nehmen daher nicht alles an, was ihnen so angeboten wird. Das und auch die allgemeine Marktsituation macht es nicht einfacher, an intaktes historisches Baumaterial heranzukommen – denn vieles wird inzwischen auch bei Online-Händlern wie etwa Ebay gehandelt.

Doch während man bei Ebay & Co. oft nicht genau weiß, was man eigentlich kauft, haben sowohl die Bauteilbörse als auch Firmen wie die von Martin Blöcher gute Kontakte zu Handwerkern der Region. „Wir verstehen uns ein bisschen als eine Spinne im Netz“, sagt Karin Strohmeier, und auch Martin Blöcher wählt eine Natur-Metapher: „Die Dinge sind immer im Fluss, man muss nur im Kreislauf denken!“