DIE ALTERNATIVMEDIZIN IST SO GUT WIE DER BEWEIS IHRER WIRKSAMKEIT
: Gebot der Gleichbehandlung

Nach jeder Studie, die die Wirksamkeit alternativer Heilmethoden kritisiert, folgt eine Aufschrei der Betroffenen: Homöopathische Ärzte würden als Scharlatane dargestellt und Patienten verunsichert. So auch, als gestern die Stiftung Warentest ihre Bewertung „anderer“ medizinischer Verfahren vorlegte. Dabei könnten sich all jene Alternativärzte, die ernst genommen werden wollen, über die Untersuchung durchaus freuen. Immerhin konstatiert sie, dass sich hinter alternativen Methoden und Mitteln zweierlei verbirgt: Scharlatanerie – aber auch effiziente, sinnvolle Arbeit.

Ein nachvollziehbarer Beweis, dass solche Heilmethoden wirksam sind, bietet die Möglichkeit zu mehr Trennschärfe. Seriöse Alternativmediziner könnten sich ein für alle Mal von dubiosen esoterischen Verfahren und ihren Verkündern absetzen – und damit an Glaubwürdigkeit gewinnen. Nur eine Rationalisierung ihrer Methoden bietet der „anderen“ Medizin auf lange Sicht die Chance, als ernsthaftes Angebot anerkannt zu werden. Nur so läuft sie nicht Gefahr, mit Geistheilung und kruder Pseudoheilkunde in einen Topf geworfen zu werden. Zu Recht darf sie dabei ihre Stärken herausstreichen – was sie etwa auszeichnet, ist der besondere Umgang mit ihren Patienten. Das ausführliche Gespräch, in dem sich der Kranke ernst genommen fühlt, ist ein unbestrittener Vorteil vieler Alternativverfahren – und ein Hauptgrund für ihre Wirkung.

Gleichzeitig bedarf aber auch die Schulmedizin einer neuen Überprüfung. Wer von der Akupunktur bis zum Yoga wissenschaftliche Evidenz fordert, darf bei herkömmlichen Heilmethoden nicht mit anderem Maß messen. Denn selbst wenn manche Kügelchen nur über den Placeboeffekt wirken – sie sind meist harmlos. Hingegen sind die Nebenwirkungen konventioneller Medizin oft verheerend und die Kosten hoch. Um das Gesundheitssystem ernsthaft zu entschlacken, muss die Messlatte für alle Verfahren und Medikamente hoch gelegt – und die überkommene Differenzierung zwischen Alternativ- und Schulmedizin aufgehoben werden. SARAH MERSCH