Wissenschaftler über Dopingstreit: „Ein Fehler beider Parteien“

Andreas Singler hatte Dopingergebnisse unabgesprochen nach außen getragen. Heute ist die Situation immer noch verfahren. Wie konnte es dazu kommen?

Fritz Keller, Präsident des SC Freiburg, gibt zur Dopingaffäre 2015 ein Interview

Fritz Keller, Präsident des SC Freiburg, gibt zur Dopingaffäre 2015 ein Interview Foto: dpa

taz: Herr Singler, vor etwa zwei Jahren sind Sie mit Ergebnissen der mittlerweile aufgelösten Freiburger Dopingkommission vorgeprescht. Nun hat Ihr Auftraggeber, die Uni Freiburg, noch immer drei von fünf Gutachten nicht veröffentlicht. Warum?

Andreas Singler: Ich habe ungeachtet aller Konflikte fünf wissenschaftliche Texte im Gesamtumfang von über 1.400 Seiten vorgelegt. Über die Konflikte mit Kollegen sage ich nichts mehr. Mir sind die Inhalte wichtig, gerade auch in Bezug auf die noch nicht publizierten Gutachten wie des Textes zu Professor Joseph Keul.

Wird denn überhaupt publiziert?

Zwei Gutachten müssen noch einen Prüfungsprozess bis zum Ende durchlaufen. Das sind die Titel „Armin Klümper und das bundesdeutsche Dopingproblem“ und „Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball“.

Warum passiert da nichts mehr?

Bevor ich für die Uni noch einmal tätig werde, müssen die finanziellen Bedingungen eindeutig geklärt sein.

Angeblich fordern Sie 100.000 Euro?

Das stimmt so nicht. Mit Uni-Direktor Hans-Jochen Schriever habe ich mich zu Verhandlungen getroffen, da ist Kompromissbereitschaft erste Voraussetzung. Der genannte Betrag war ein erstes Wort. Und meine Forderungen umfassen die Tätigkeiten über einen fast zweijährigen Zeitraum seit Juli 2015. Damals bin ich zwar aus der Kommission ausgeschieden, der Auftrag, Gutachten fertigzustellen und zu verfassen sowie sie zur Publikationsreife weiterzubearbeiten, bestand aber fort. Ein Fehler beider Parteien war es, keine geeignete Vereinbarung bezüglich der Fortzahlung zu treffen. Deshalb konnte es zu dieser verfahrenen Situation kommen.

Der 54-Jährige ist Sportwissenschaftler und Japanologe, zudem freier wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum Dopingprävention in Heidelberg. Von 2012 an war er Mitglied der Evaluierungskommission zur Dopingvergangenheit der Uni Freiburg.

Also bleiben mehrere hundert Seiten zur westdeutschen Dopinggeschichte unveröffentlicht?

Nein, bestimmt nicht. Das Gutachten zu Joseph Keul hat den Prüfungsprozess ja bereits durchlaufen. Das könnte sofort erscheinen, dafür werde ich nun einen geeigneten Verlag suchen. Dasselbe gilt für die anderen beiden Texte, die den Prüfprozess aber noch nicht vollständig durchlaufen haben.

Die Uni sagt allerdings, dass der Prüfprozess abgeschlossen sei, also dass auch fürs Gutachten „Systematische Manipulationen im Radsport und Fußball“ bereits Prüfungsergebnisse vorliegen.

Wer das sagt, lügt abermals. Mir liegen keine neuerlichen Prüfergebnisse dazu vor, obwohl diese schon im Sommer 2016 öffentlich ankündigt worden waren.

Welche Erkenntnisse zur deutschen Dopinggeschichte würden fehlen, wenn die Prüfungsprozesse nicht abgeschlossen werden?

Notfalls würden die Gutachten eben ohne juristischen Prüfungsprozess an die Medien gehen, die aber ohnehin einen Einblick in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Freiburg bekommen hatten. Leider wurden von den meisten nicht die nötigen Schlüsse gezogen.

Was haben die Medien denn versäumt?

Sie haben sich vor allem aufs populäre Thema Fußballdoping gestürzt. Während zum SC Freiburg und VfB Stuttgart alles hinterfragt wurde, kam das Thema Minderjährigendoping im Radsport zu kurz. Da kann man mithilfe der Akten nun ein viel genaueres Bild zeichnen. Es wird deutlich, dass Klümper die Dopingmittel aus den Töpfen des Bundes Deutscher Radfahrer für die behandelnden Ärzte bestellt hat, für den späteren Nada-Chefmediziner, Professor Dirk Clasing. Der bestreitet heute, also 40 Jahre später, dass er damit auch praktiziert habe. Dem Thema Minderjährigendoping hätten die Medien viel energischer nachgehen müssen.

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