„Das wäre stümperhaft“

Krieg Die Zahl der Opfer westlicher Luftangriffe gegen den IS steigt. Die Opposition in Deutschland macht nun Druck, die Regierung spricht erstmals von Konsequenzen

Aufklärungstornado der Bundeswehr auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik Foto: Oliver Pieper/Bundeswehr/dpa

von Tobias Schulze

Berlin taz | Nach tödlichen Luftangriffen auf Zivilisten in Syrien und Irak fordert die Opposition in Deutschland die Regierung zum Handeln auf. „Die Bundesregierung muss auf die zunehmende Zahl von Luftschlägen der USA in Syrien, die eigentlich Isis-Terroristen gelten, jedoch unzählige unschuldige Zivilisten treffen, reagieren“, sagte die grüne Außenpolitikerin Franziska Brantner der taz.

Deutschland sei an der von den USA angeführten Anti-Isis-Koalition beteiligt und für deren Handeln mitverantwortlich. Deswegen müsse die Bundesregierung nun Fragen in Richtung Washington stellen: „Die Trump-Administration muss für Aufklärung sorgen und die Frage beantworten, ob das US‑Militär unter seinem neuen Oberbefehlshaber weniger Vorsicht walten lässt.“

Der Linken-Abgeordnete Alexander Neu kritisiert, dass die Bundesregierung stets behaupte, nichts über die Zahl und Ursache ziviler Opfer zu wissen. „Deutschland muss als Teil der Anti-IS-Koalition am Informationsaustausch beteiligt sein und trägt somit auch Verantwortung für das, was geschieht – zumal die Bundeswehr der Koalition Aufklärungsbilder zur Verfügung stellt“, sagte der Verteidigungspolitiker. „Und wenn sie tatsächlich nicht wüsste, was im Gefechtsfeld passiert, wäre das stümperhaft.“

Die Zahl der zivilen Opfer westlicher Angriffe war zuletzt stark gestiegen. Die Internetplattform Airwars.org zählt für den März bereits bis zu 1.257 zivile Tote. Im Februar lag die Zahl noch bei bis zu 455, im März 2016 bei bis zu 196. Am Wochenende räumte die Anti-IS-Koalition ein, womöglich für einen Angriff auf Mossul mit bis zu 240 zivilen Toten verantwortlich zu sein. Den Vorfall will das Bündnis nun untersuchen.

Die Internetplattform Airwars.org zählt für März bis zu 1.257 zivile Tote

Die Bundeswehr unterstützt den Einsatz über Syrien und Irak mit Aufklärungstornados. Die Flugzeuge liefern Luftbilder, die die Alliierten für die Planung ihrer Angriffe nutzen. Außerdem versorgt ein deutsches Tankflugzeug die Kampfjets der Koalition mit Kerosin. Die Bundeswehr feuert selbst allerdings keine Raketen ab.

Der Bundesregierung lägen daher über die Vorfälle in Mossul und anderswo „keine eigenen Erkenntnisse vor“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts schon am Montag. Dennoch kündigte die Regierung erstmals mögliche Konsequenzen an – zumindest vorsichtig: Man müsse nun die Untersuchungen der Koalition abwarten, sagte der Ministeriumssprecher. „Wenn daraus Änderungen an der Vorbereitung oder Durchführung solcher Aktionen sinnvoll erscheinen und vernünftig oder geboten sind, dann werden wir sicherlich dafür sein.“