Lateinamerika

Heftige Regenfälle treffen seit zwei Monaten die Andenstaaten. In Peru sind einige Dörfer von der Außenwelt fast abgeschlossen

Wenn der Humboldtstrom heizt

Klima Massive Wetterkapriolen wie El Niño hat es an der lateinamerikanischen Westküste schon vor mehr als 1.000 Jahren gegeben. In diesem Jahr aber waren die Peruaner besonders schlecht vorbereitet

LIMA taz | Die Moche lebten zwischen dem 1. und dem 8. Jahrhundert im Norden Perus. Neben der heutigen Küstenstadt Trujillo errichteten sie die beiden Pyramiden Huaca de Sol und Huaca de Luna, die größten Bauten Lateinamerikas. Bis heute forschen Archäologen, wie die Hochkultur im 7. Jahrhundert nach Christi langsam unterging. Verantwortlich dafür waren schon damals die Klimaphänomene El Niño und La Niña. Nach 30 Jahren mit mehreren schweren El Niño-Phasen, in denen starke Regenfälle die Infrastruktur zur Bewässerung zerstörte, folgten, so die Archäologen der Universität Trujillo, rund 30 Jahre Dürre. Die riefen Verteilungskämpfe hervor und führten zum Zerfall der Hochkultur.

Zum Blick in die Geschichtsbücher mahnen derzeit in Peru auch einige Kolumnisten und Analytiker. Sie weisen darauf hin, dass die massiven Regenfälle wie sie Peru seit dem 15. Januar erlebte, historisch betrachtet nichts Neues sind. Nur sei Peru und vor allem die Küstenbevölkerung darauf schlicht nicht vorbereitet gewesen – mit katastrophalen Folgen: Mehr als 90 Menschen starben, mehr als 13.000 Häuser wurden komplett zerstört.

„Wir brauchen neue Warnsysteme, meteorologische Stationen, die in der Lage sind lokale Vorhersagen zu treffen und den Bauern anzeigen, wann sie die Kanäle zur Bewässerung zu machen und das Wasser aus dem System nehmen, damit die Kanäle nicht später geflutet werden“, so Herbert Gutierrez Salomon, Agronom aus Santa Eulalia.

Mit dem globalen Klimawandel seien El Niño und La Niña noch unberechenbarer geworden. Dabei erwärmt sich das eigentlich deutlich kältere und nährstoffreiche Wasser des Humboldt-Stroms vor der Westküste Lateinamerikas um fünf Grad und mehr. Das hat die verheerenden Regenfälle, die Peru seit Mitte Januar aber auch die nördlicher gelegenen Küstenländer in Atem halten, hervorgerufen.

Weil die Wassermassen in erster Linie den Küstenabschnitt nördlich von Lima treffen, wird das Phänomen „El Niño costero“ genannt. Mit dem „Christkind der Küste“, so in etwa die deutsche Übersetzung, gingen in den letzten Wochen auch „Monsterwellen“ einher, die zwischenzeitlich zur Schließung von 23 Häfen führten.

Debattiert wird in Lima nun, ob die Behörden den Katastrophenschutz haben schleifen lassen. Denn im nördlichen Nachbarland Ecuador regnete es ähnlich stark, aber dort halten sich die Schäden in Grenzen. Ein Grund dafür ist, dass in den Bau von Dämmen und Uferbefestigungen investiert wurde.

Das hätte eigentlich auch in Peru passieren sollen. Doch weil der Regen 2015 so glimpflich ausging, haben die lokalen Behörden Mittel der Zentralregierung nicht abgerufen oder anderweitig investiert.

Das hat sich nun gerächt. Die Spur der Verwüstung, die der Fluss Rimac bis tief in die 10- Millionen-Einwohnerstadt Lima riss, ist auch gut zwei Wochen nach der Höhepunkt der Überschwemmungen und Schlammlawinen kaum zu übersehen. Ob die Tragödie, zum Umdenken führen wird, ist aber noch nicht absehbar. Knut Henkel