Analyse zum Umfragetief der Grünen: Geschmeidig sein und ab in die Mitte

Es fehlt nicht mehr viel und die Partei geht in die außerparlamentarische Opposition. Der Vorsitzende bleibt dennoch entspannt.

Eine welke Sonnenblume liegt auf einer gelben Tonne

Eine Partei liegt auf dem Trockenen Foto: ap

BERLIN taz | Cem Özdemir tut, was ein Parteivorsitzender tun sollte: Er generiert Aufmerksamkeit. Ein Thema, bei dem seine Expertise anerkannt groß ist, ist die doppelte Staatsbürgerschaft. Als „anatolischer Schwabe“, wie er sich selbst bezeichnet, weiß er um interkulturelle Konflikte. Und weil seit dem Referendum in der Türkei die Union den von Schwarz-Rot selbst beschlossenen Doppelpass zur Debatte stellt, äußert sich Cem Özdemir dazu.

Allerdings überrascht seine Stoßrichtung. Der Deutschen Presseagentur gegenüber stellt der Grüne den Doppelpass für Nachfolgegenerationen von Eltern mit ausländischen Wurzeln infrage. „Man muss den Doppelpass nicht bis in alle Ewigkeit vererben.“ Seine Partei diskutiere seit Langem, die doppelte Staatsbürgerschaft auf einige Generationen zu begrenzen.

Bei der Union wird man das gern hören. Diese Grünen – erst Mitte dreißig, aber angenehm angepasst. Sollten CDU und CSU auch nach dieser Bundestagswahl wieder mal Sondierungsgespräche führen wollen, würden Kompromisse nicht an den einst Alternativen und ihren gewählten VertreterInnen scheitern. Die Grünen sind zu allem bereit.

Das Problem ist nur, dass es zum Beginn der nächsten ­Legislaturperiode keinen bündnisgrünen Verhandlungs­partner mehr geben könnte. ­Aktuelle Umfragen sehen die Bundespartei bei 6 Prozent. Es fehlt nur noch wenig und die Grünen gehen zurück in die Außerparlamentarische Opposition. Zwar liegen sie in Schleswig-Holstein, wo am 7. Mai gewählt wird, bei komfortablen 12 Prozent. Doch in Nordrhein-Westfalen, wo es in zwei Wochen so weit ist, sieht es gar nicht gut aus – in Umfragen kommen die Grünen hier auf ebenfalls nur 6 Prozent. Dabei sitzt die Partei in beiden Bundesländern in der Regierung.

Fokus auf Grüne in Baden-Württemberg

Statt nun aber auf Angriff über inhaltliche Profilierung zu schalten, agiert der Vorsitzende grundentspannt. „Mein Anspruch ist, die Grünen zur drittstärksten Fraktion im nächsten Bundestag zu machen“, sagte Cem Özdemir am Wochenende in Stuttgart. Aktuell liegen Linke und AfD mit jeweils 9 Prozent auf dieser Position.

Einen großen Beitrag, um die Grünen bundesweit wieder nach vorn zu bringen, soll laut Özdemir die baden-württembergische Landespartei leisten. Bei der dortigen Landtagswahl im vergangenen Jahr siegte erneut der Realo Winfried Kretschmann. Er führt seither die grün-schwarze Regierung.

Özdemirs Äußerungen über das Erfolgsmodell im Südwesten lassen ahnen, wohin er seine Partei im Wahlkampf zu führen gedenkt: direkt in die Mitte, und das bei maximaler machtpolitischer Geschmeidigkeit.

Ihren schärfsten Gegner haben die Grünen seit der Ausrufung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten in der SPD. Seit es um eine tatsächliche Machtoption im Bund geht, entziehen immer mehr WählerInnen den Grünen ihre Zustimmung. Vom inhaltlichen Profil her bilden die Alternativen einfach nicht genug Abgrenzung zu den Sozis. Und wer Opposition will, fühlt sich bei Linken und AfD besser aufgehoben.

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