Schwarz-rote Malerei für den Kanzler

Lob der Nische? Oder doch lieber in globalisierten Zusammenhängen denken? Mit einem Kongress und einer Ausstellung in der Arena suchte die Böll-Stiftung danach, wie sich „Kunst Macht Politik“ gegenseitig durchdringen

Kunst, Kunst, Kunst. Zweimal in Grün geschrieben, einmal auch rot. Nur die Worte „Macht“ und „Politik“ sind im dreifach projizierten Logo des von der Böll-Stiftung veranstalteten Kongresses zur „Erkundung des Wirklichkeitsbezugs aktueller Künste“ ganz in Schwarz gehalten. Durch dieses Farbenspiel entsteht gleich zu Beginn ein hübsch minoritärer Eindruck: Rot-Grün ist der kreative Freiraum, den sich die Gesellschaft leistet; schwarz dagegen drohen von allen Seiten die bösen Sachzwänge.

Aber funktionieren diese Zuschreibungen noch? Kann man mit dem Buntstift tatsächlich klare Trennlinien ziehen zwischen Kultur, Staat und Politik? Immerhin war es die rot-grüne Regierung, die ein Kulturstaatsministerium eingeführt hat, um die Belange der Kultur auch zu einer nationalen Aufgabe zu erheben. Und wer im Theatersaal der Arena dem Vortrag von Wolfgang Ullrich über „Politiker vor zeitgenössischer Kunst“ zuhörte, der konnte einigermaßen amüsiert feststellen, dass Gerhard Schröder schon als niedersächsischer Ministerpräsident für sein Büro abstrakte Malerei in der Farbkombination Schwarz-Rot bevorzugte – so weit die Ikonografie der Macht.

Ullrichs kurzweilige Dia-Show war ein charmanter Einstieg. Zumal der Kongress mitsamt der angegliederten Ausstellung eher diffus blieb: Einerseits ging es um Kunst als politischen Widerstand; andererseits sollte aber auch beispielhaft aufgezeigt werden, wie Kunst der Politik bei der Bewältigung von gesellschaftlichen Problemen helfen kann. Doch gerade diese Idee läuft schnell Gefahr, Kunst auf eine soziale Ersatzfunktion zu reduzieren, wie die Leipziger Kuratorin Barbara Steiner ausführte.

Merkwürdig auch, dass gerade auf einer von den Grünen initiierten Veranstaltung die gute alte Sub-, Off- oder Alternativkultur mit keinem Wort erwähnt wurde. Heute redet selbst Ralf Fücks, Leiter der Böll-Stiftung, lieber von Kultur als einem Vorboten der Globalisierung und meidet das frühere Lob der Dezentralität und anderer kultureller Nischen. Überhaupt scheinen die Grünen bei Kultur erstaunlich strikt in ökonomischen Zusammenhängen zu denken – warum sonst war ein Panel über „Kunst aus Berlin“ ganz dem Standortfaktor gewidmet? Und warum wurde zum Abschluss unter dem Vorsitz von Alice Ströver ohne große Scheu darüber diskutiert, endlich auch in der Kulturförderung die Künste stärker nach ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu beurteilen?

Im Magazin und im Glashaus der Arena waren derweil vor allem Künstler, Kollektive und selbst organisierte Gruppen eingeladen, die in ihren Arbeiten etwas anderes suchen als ökonomisches Glück oder die Nähe zur Macht. So konnte man in einer Bühnenlandschaft aus Monitoren gut ein Dutzend kurze Videofilme sehen, die Ulrike Kremeier als Betreiberin der Galerie plattform zu den Themen Migration, Urbanismus und schrumpfende Städte ausgewählt hatte. Kein gemeinsamer inhaltlicher Nenner, dafür Vielgestaltigkeit in Sachen Dokumentarismus und Fiktion: Von der Gruppe a-clip stammten kleine Agitprop-Spots gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums; bei Marisa Maza gab es Kamerafahrten durch die versteppten Straßen von Eberswalde; und Shahram Entekhabi lieferte mit „i?“ an Samuel Beckett erinnernde Identitätsfragmente aus der Sicht eines in Berlin lebenden Iraners.

Der Wille zur Heterogenität ist für Kremeier eine Strategie, um sich von Vorstellungen abzugrenzen, nach denen Kunst, zumal politisch motivierte, ein Spiegel, wenn nicht Korrektiv der Wirklichkeit ist. Stattdessen produziert und reflektiert zeitgemäße Kunst ihre eigene Realität immer auch mit. Entsprechend fanden sich auf den Foren oft künstlerische Ansätze wieder, die ihre durchaus subversive Energie aus historischen Bezügen ziehen: Inke Arns und Christian von Borries haben als Reaktion auf die ausgebliebene Debatte um die Flick-Sammlung kurzerhand eine „Göring-Collection“ gegründet – wohl wissend, dass in dieser provozierenden Analogie konkrete Referenzen mitschwingen. So soll der Großvater von Friedrich Christian Flick im Dritten Reich großzügige Kunstgeschenke an Hermann Göring gemacht haben. Als Arns und von Borries dann zur Flick-Eröffnung ihre Postkarten verteilten, hat sogar das Deutsche Historische Museum um ein Exemplar gebeten. Man weiß ja nie, ob sich das Blatt der Geschichte nicht noch wendet. HARALD FRICKE