Polizei Berlin und der Fall Amri: Nun doch ein Ausschuss

Parlament befasst sich mit Vertuschungsvorwürfen beim Staatsschutz. Sonderermittler berichtet. R2G will jetzt auch einen Untersuchungsausschuss einrichten.

Hat den richtigen Riecher: Sonderermittler Bruno Jost auf dem Weg zum Ausschuss Foto: dpa

Nun also doch. Auch die rot-rot-grüne Koalition ist für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Fall Amis Amri. Nach dem 3. Juli, wenn der vom Senat eingesetzte Sonderermittler Bruno Jost dem Abgeordnetenhaus seinen Zwischenbericht vorlegt, könnte der Ausschuss seine Arbeit aufnehmen. Das kündigten SPD, Linke und Grüne am Montag in einer gemeinsamen Presseerklärung an. Die CDU signalisierte Zustimmung. FDP und AfD hatten sich schon kurz nach dem Attentat für einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen.

„Gute Arbeit“ von Jost

Die „gute Arbeit“ von Jost habe viele Fragen aufgeworfen, die eine gründliche parlamentarische Befassung erforderten, heißt es in der Presseerklärung der Koalition. Es gebe „strukturelle Fragen“ zum Landeskriminalamt (LKA) und der gesamten Sicherheitsarchitektur in Bund und Ländern.

Allein in Berlin wird es nun drei Ermittlungsinstanzen zum Fall Amri geben. Die Staatsanwaltschaft, die sich mit den vergangene Woche bekannt gewordenen Vertuschungsvorwürfen beim Staatsschutz befasst, den Sondermittler Jost, der erst vor 30 Tagen seine Tätigkeit aufgenommen hat – und nun noch ein Untersuchungsausschuss? Jost war es, der am Montag bei einer Sondersitzung des Innenausschusses warnte: „Ich möchte nicht, dass sich die Ermittlungsstellen gegenseitig behindern und im Wege stehen.“ Im Interesse der Aufklärung bitte er, das im Vorfeld zu klären.

Der 1992 in Tunesien geborene Attentäter vom Breitscheidplatz reiste im Juli 2015 nach Deutschland ein. Zuvor war er bereits in Italien als Gewalttäter polizeilich aufgefallen. Eine Abschiebung aus Deutschland scheiterte an Amris fehlenden tunesischen Papieren. Hier fiel er sowohl als Drogenhändler und Gewalttäter wie wegen islamistischer Verbindungen auf. (taz)

Die Sitzung war einberufen worden, nachdem Jost vergangene Woche Ungereimtheiten in den Ermittlungsakten des LKA 5 (Staatsschutz) zum Fall Amri entdeckt hatte. Der Verdacht drängt sich auf, dass Beamte ein Dokument nachträglich manipuliert haben könnten, um die versäumte Gelegenheit einer Festnahme von Anis Amri mehrere Wochen vor dem Anschlag zu vertuschen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen zwei Staatsschutzbeamte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet (taz berichtete).

„Nicht unbedingt unlauter“

Konkret geht es um zwei Aktenvermerke: Einen vom 1. November 2016, der in der Polizeidatei Poliks gefunden wurde, und einen Vermerk aus einer Papierakte, der am 17. oder 18. Januar 2017 gefertigt worden sein soll, aber auch das Datum vom 1. November 2016 trägt. Der äußere Anschein spreche dafür, „dass etwas verschleiert oder vertuscht werden sollte“, sagte Jost im Ausschuss. Aber vielleicht gebe es Erklärungen, „die nicht unbedingt einen unlauteren Hintergrund haben müssen“. Der Poliks-Vermerk, Jost nennt ihn den großen Vermerk, sei zehn bis zwölf Seiten lang und beziehe sich auf 73 abgehörte Telefonate zu einem gewerbsmäßigen bandenmäßigen Drogenhandel Amris. Die Rede ist von Kokain, Cannabis und Ecstasy.

Der zweite – rückdatierte – Vermerk sei deutlich kleiner, sagte Jost. Rekurriert werde darin auf nur sechs Telefongespräche. Das Papier sei im Konjunktiv verfasst und lasse die Vorwürfe in deutlich milderem Licht erscheinen. Vorstellbar sei, dass der zweite Vermerk ein Korrektiv des ersten Vermerks sei, weil dessen Bewertung vielleicht unzutreffend gewesen war, so Jost. Der Verfasser des zweiten Vermerks habe vielleicht besser einschätzen können, ob die Vorwürfe gegen Amri Substanz haben. Beide Beamte kämen aus demselben Kommissariat.

Nun will Jost Protokolle der Telefonüberwachung „stichprobenhaft“ lesen. Allerdings sei es schwierig, aus Telefonaten, die verklausuliert und in fremder Sprache geführt werden, „halbwegs vernünftige Schlüsse“ zu ziehen. Polizeipräsident Klaus Kandt sagte im Ausschuss, die Polizei arbeite immer mit Papierakten. „Darum sind wir davon ausgegangen, dass alle relevanten Details in der Papierakte waren.“

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