heute in Bremen
: „Perspektive der Weißen“

Kolonialismus „Homestory Deutschland“ möchte People of Color eine Stimme geben

Kiana Ghaffarizad

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32, ist Kulturwissenschaftlerin, Mitorganisatorin der Ausstellung "Homestory Deutschland" und aktiv im Bündnis Decolonize Bremen.

taz: Frau Ghaffarizad, die Ausstellung „Homestory“ war schon in vielen Ländern zu sehen. Warum kommt sie erst jetzt nach Bremen?

Kiana Ghaffarizad: Bremens Stadtgeschichte ist eng mit der Geschichte des Kolonialismus verbunden, was jedoch kaum thematisiert wird. Auch in der heutigen Zeit finden sich viele Spuren einer kolonialen Vergangenheit. Als Beispiel muss man dafür nur auf die Straßennamen in Bremen achten. Mit der Ausstellung wollen wir einerseits eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit der Vergangenheit anstoßen, anderseits möchten wir Perspektiven der People of Color zu Wort kommen lassen, die in der bisherigen Auseinandersetzung kaum gehört wurden.

Bereits vor der Eröffnung soll die Ausstellung breite Wellen in Bremen geschlagen haben. Welche?

Wir stehen schon seit Längerem mit den Parteien in Kontakt, die ein Erinnerungskonzept zu Bremens Kolonialgeschichte erarbeiten. Ebenso wurden wir von vielen Initiativen und Schulen wahrgenommen, die sich zu Führungen angemeldet haben. Durchweg gab es positive Resonanz. Das zeigt noch mal, dass da eine große Leerstelle ist.

Was meinen Sie damit?

Die deutsche Kolonialgeschichte wird kaum thematisiert. Ich persönlich habe in der Schule Columbus nur als „Entdecker“ Amerikas kennengelernt. Über Vertreibung, Ausbeutung und Genozide, für die er verantwortlich war, jedoch nichts. Das zeigt zum einen, dass es große Wissensleerstellen gibt, zum anderen aber auch, dass der Wissensfundus der People of Color wenig Aufmerksamkeit von der Mehrheitsgesellschaft bekommt. Die Geschichte des Kolonialismus wird primär aus der Perspektive der Weißen erzählt.

Liefert die Ausstellung einen Beitrag zur Dekolonialisierung?

Ja, sie soll den Menschen eine Stimme geben, die seit drei Jahrhunderten um Anerkennung kämpfen. Aber nicht nur auf Stimmen der Vergangenheit wird eingegangen, auch aktuelle Themen wie Racial Profiling werden behandelt. Die Ausstellung soll als Startpunkt für Debatten genutzt werden.

Müssen People of Color in Deutschland immer noch um Anerkennung kämpfen?

Viele People of Color werden immer wieder gefragt, wo sie her kommen. Und das, obwohl man in Deutschland geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Viele irritiert es immer noch, dass man sich als Deutsche bezeichnet, obwohl man nicht weiß ist. Es gibt also immer noch einen weit verbreiteten Alltagsrassismus. Der macht sich zum Beispiel auch durch Racial Profiling bemerkbar. Die Kämpfe um Anerkennung werden heute also immer noch geführt.

Interview Maximilian Schmidt

Eröffnung: 18.30 Uhr, Untere Rathaushalle