Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen: SPD will nicht groß koalieren

Die SPD will die Bundestagswahl nicht abschreiben. Eine große Koalition lehnt sie in NRW deshalb ab. Jetzt streiten sich CDU und FDP.

Christian Lindner lehnt sich zu Armin Laschet

Keine „Wunschpartner“: Christian Lindner (FDP) und Armin Laschet (CDU) Foto: reuters

BOCHUM taz | Nach ihrer krachenden Niederlage bei der Landtagswahl gehen Nordrhein-Westfalens Sozialdemokraten in die Opposition. „Mit uns wird es keine Große Koalition geben“, sagte Landtagsfraktionschef Norbert Römer nach einer Sitzung des SPD-Landesvorstands am späten Montagabend in Düsseldorf. Zuvor hatten besonders Vertreter des linken Parteiflügels in der taz gewarnt, ein weiteres Bündnis mit der CDU sei tödlich. „Wenn das passiert, dann können wir den Bundestagswahlkampf gleich einstellen“, so der aus Bochum stammende SPD-Bundestagsfraktionsvize Axel Schäfer.

Bei der Wahl in ihrem Stammland NRW hatte die SPD am Sonntag mit 31,2 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren. Lediglich im Ruhrgebiet, in Teilen Ostwestfalens und im ehemaligen rheinischen Kohlerevier rund um Aachen konnte sie sich als stärkste Partei behaupten. Allerdings gab es auch dort große Verluste: So gewann Noch-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in ihrem Wahlkreis in Mülheim an der Ruhr zwar mit 43,7 Prozent. Fünf Jahre zuvor hatten sich aber noch fast 60 Prozent der WählerInnen für die 55-Jährige entschieden. Als Konsequenz aus dem Wahldebakel war Kraft als Landes- und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende zurückgetreten.

„Wir akzeptieren diese Niederlage“, heißt es auch in einem dreiseitigen Papier, dass der SPD-Landesvorstand beschlossen hat. Jetzt habe die CDU den Auftrag, eine Landesregierung zu bilden: „Sie hat gemeinsam mit der FDP eine Mehrheit dafür.“ Für die Christdemokraten des bisherigen Oppositionsführers Armin Laschet hatten sich 33 Prozent der WählerInnen entschieden. Die FDP erreichte mit 12,6 Prozent sogar ihr bestes NRW-Ergebnis seit 1947. Im Düsseldorfer Landtag verfügt Schwarz-Gelb damit über eine hauchdünne Mehrheit von 100 der 199 Sitze.

Einfach dürfte die Regierungsbildung allerdings nicht werden: Massiv will sich FDP-Bundeschef Christian Lindner gegenüber der CDU profilieren. Die Wirtschaftsliberalen sollen auf keinen Fall als beliebig und bloßes Anhängsel der Christdemokraten wahrgenommen werden wie 2013, als die FDP mit 4,8 Prozent aus dem Bundestag flog – 2009 hatte sie noch 14,6 Prozent erreicht.

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„Unendlich hart“ sei die außerparlamentarische Opposition im Bund gewesen, hat Lindner schon vor Wochen der taz geklagt. Der FDP-Mann, der in Nordrhein-Westfalen noch am Montag einstimmig als Landtagsfraktionsvorsitzender wiedergewählt wurde, pokert deshalb hoch: Er sei „nicht der Wunschkoalitionspartner von Herrn Laschet und er nicht meiner“, sagte der 38-Jährige in der ARD.

Große Differenzen gibt es etwa beim Thema innere Sicherheit: CDU-Mann Laschet macht sich für die Schleierfahndung, also anlasslose Polizeikontrollen überall, stark – und fordert mehr Videoüberwachung. Lindner will seine FDP dagegen auch als Bürgerrechtspartei positionieren. Gestritten werden dürfte auch über die Wiedereinführung von Studiengebühren von bis zu 500 Euro pro Semester, für die sich die Wirtschaftsliberalen starkmachen. Die CDU lehnt das bisher ab.

Am Tariftreuegesetz, das eine faire Bezahlung von ArbeitnehmerInnen zumindest bei öffentlichen Aufträgen sichern soll, will nur Laschet festhalten. Das von SPD und Grünen durchgesetzte NRW-Klimaschutzgesetz dagegen wollen beide Parteien abschaffen. Ein erstes Gespräch zur Regierungsbildung haben CDU und FDP aber bereits vereinbart. Laschet habe Lindner zu einem „ergebnisoffenen Sondierungsgespräch“ eingeladen, so ein FDP-Sprecher – ein Termin stehe allerdings noch nicht fest.

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Die NRW-SPD kündigte eine „schonungslose Analyse“ ihres Wahldebakels an. Die Fokussierung des Wahlkampfes auf Landespolitik und das Verstecken des eigenen Kanzlerkandidaten Martin Schulz mit seinem Mega-Thema der sozialen Gerechtigkeit, für das Hannelore Kraft mit ihrem Rücktritt die Verantwortung übernommen hat, sei „ein Fehler“ gewesen, heißt es in einem ersten dreiseitigen Beschluss des Landesvorstands vom Montagabend: Viele Menschen hätten den „berechtigten Anspruch, dass ihnen die SPD ihre Haltung zu gesellschaftlichen und politischen Fragen deutlich macht – unabhängig davon, welches Parlament zuständig ist“.

Stattdessen habe die Partei NRW schöngeredet und ignoriert, „dass in unserem Land nicht alles perfekt ist“, räumt der Landesvorstand jetzt kleinlaut ein: Dies sei „ein offensichtlicher Widerspruch zu unserer Kampagne, die die Stimmung bei den Menschen nicht getroffen hat.“ Unklar bleibt aber weiter, wer Kraft wann als SPD-Landesvorsitzender beerben könnte. Als potenzielle Nachfolger gelten die bisherigen Minister Groschek (Verkehr), Walter-Borjans (Finanzen), Kutschaty (Justiz) sowie Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski.

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