leserinnenbriefe
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Halbherzige Kritik

betr: „Der gute Mensch aus Elsfleth“, taz.nord vom 10./11. 6. 17

Im taz-Artikel „Der gute Mensch aus Elsfleth“ beschreibt Benno Schirrmeister die zwei Seiten von Ludwig Römer, Profiteur des transatlantischen Handels mit versklavten Menschen. Römer übte zeitweilig auch etwas halbherzige Kritik an dem berüchtigten Handel.

 Schirrmeister behauptet, ich habe Römer „wie zufällig ins Spiel gebracht“, als es 2008 darum ging, die Umbenennung des „Frappant“-Gebäudes an der Großen Bergstraße in Altona in „Christians-Quartier“ zu verhindern. In einer Art historischer Amnesie war Christian VI. vom Investor als neuer Namensgeber ins Spiel gebracht, obwohl der dänische König im transatlantischen Menschenhandel tief verwickelt war.

 Das Zitat, das Schirrmeister in meinem Brief an das Bezirksamt Altona als vermeintlich verharmlosend interpretiert: „[Römer] kritisierte in einem Buch die Europäer, alles eingeführt zu haben, was in Afrika böse ist.“ Offensichtlich hat der Journalist übersehen, dass ich es nicht bin, die so argumentiert, sondern Stefan Winkle, der Autor des Textes „Firma Schimmelmann und Sohn. Der dänische Sklavenhandel“, den ich in meinem Text als Quelle zitiere.

 Irrtümlicherweise bezeichnet Schirrmeister mein damaliges Anliegen als „Straßennamenkampf“, obwohl es hier konkret um einen Gebäudenamen ging. An meinem Winkle-Zitat ist nichts „zufällig“, nichts verharmlosend und nichts historisch falsch. Damit ist Ludwig Römers berüchtigte Rolle als Menschenhändler von mir keinesfalls negiert, wie auch nicht die Doppelzüngigkeit der übrigen Menschenhändler. Im Gegenteil: Im Schreiben habe ich vor allem an den antikolonialen Kampf der Versklavten 1733 auf der dänischen Karibikinsel St. John erinnert, einen der ersten Aufstände in der Karibik, der als historische Tatsache weitaus wichtiger zu werten ist als irgendeine scheinheilige Kritik aus den Reihen der Kolonialhandelsherren.

 In der Tat gab es auch weitere unaufrichtige Figuren, z. B. Jens Jacob Eschels (Eschelsweg), Kapitän aus Altona, der Zeuge einer Misshandlung in der Plantagenkolonie Surinam wurde und in seinen Memoiren hierüber entsetzt schrieb. Dennoch hinderte ihn dies nicht daran, Tabakfabrikant in Altona zu werden.

 Oder Joachim Nettelbeck (Nettelbeckstraße), der als Steuermann auf Sklavenschiffen fuhr und später beschämt über seine Tätigkeit schrieb. Doch die zeitweilige Reue wich schnell der Erkenntnis, dass es noch einen Küstenstreifen in Surinam gab, den es zu kolonisieren galt, wie er dem preußischen König Friedrich II. empfahl. Die Liste solcher zweigeteilter Naturen ließe sich fortsetzen.

 Recht unverständlich ist aber, dass Schirrmeister dann ausgerechnet dem zentralen Menschenhändler im dänischen Kolonialreich, Heinrich Carl Schimmelmann, „so seine emanzipatorischen Seiten“ wohlwollend bescheinigt. Ins gleiche Horn blies die Wandsbeker regierende CDU, als sie 2006 Schimmelmann eine neue ehrende Büste aufstellen ließ. Auch wenn Schimmelmann Menschen im transatlantischen Handel, auf seinen karibischen Zuckerplantagen und in seinen Palästen versklavte, sei er doch ein „Wohltäter“ gewesen, hieß es aus der Bezirkspolitik. Rätselhaft bleibt, was denn im Einzelnen die vermeintlichen „Wohltaten“ vor Ort wären. Der Wirtschaftskreislauf mit der Bezeichnung „System Schimmelmann“ beruhte auf exakt getakteter Ausbeutung hie wie da; so mussten Wandsbeker Waisenkinder an langen Arbeitstagen Tuch für seinen transatlantischen Menschenhandel weben.

Hannimari Jokinen, Hamburg

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