Initiative „Refill Berlin“: Kaltes Wasser für lau

Wenn der Durst kommt, weist ab sofort ein hellblauer Aufkleber den Weg in Cafés und Läden, die jedem erlauben, seine Wasserflasche aufzufüllen.

Lena Ganssmann von „Refill Berlin“ zeichnet einen Trinkbrunnen der Berliner Wasserbetriebe mit dem Logo der Initiative aus Foto: Gerald Schmidt / Berliner Wasserbetriebe

Damit haben die Wasserexpertinnen nicht gerechnet: dass eine Trinkflasche kaum unter den flach gewinkelten Strahl des Trinkbrunnens an der Neuköllner Weserstraße passt. Der guten Laune von Lena Ganssmann, Milena Glimbovski und Astrid Hackenesch-Rump tut diese technische Unvollkommenheit keinen Abbruch – sie sind am Donnerstag gekommen, um hier, vor dem Bioladen Biosphäre, den Startschuss für das Projekt „Refill Berlin“ zu geben. Sowohl der eingeschränkt nutzbare Brunnen als auch der Laden bekommen einen hellblauen Sticker mit einem stilisierten Wassertropfen verpasst.

Geht es nach Refill Berlin, ziert der Aufkleber bald viele Cafés, Restaurants und Geschäfte. Er signalisiert: Ob Anwohner oder Touristin, jeder, der durstig ist, darf hier seine Flasche mit Leitungswasser auffüllen. Ganz einfach, weil dieses Wasser so gut wie überall zur Verfügung steht und in kleinen Mengen kaum etwas kostet. Außerdem, so Lena Ganssmann, die sich beim Verein „at tip: tap“ engagiert und Refill Berlin initiiert hat, ist „Leitungswasser das am strengsten kontrollierte Lebensmittel – viel strenger als teure Wasser aus der Flasche“.

Astrid Hackenesch-Rump freut sich über so viel Vertrauen. Sie ist Sprecherin bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB), die die Allgegenwart und Reinheit des Lebensmittels garantieren. Dass die BWB Partner des Projekts sind und es mit dem Druck der Aufkleber sowie der Webseite refill-berlin.de unterstützen, ist also durchaus Eigenwerbung. Andererseits ist es auch Promo für öffentliche Zapfstellen, die das inzwischen wieder landeseigene Unternehmen schon seit vielen Jahren betreibt: Die mittlerweile rund 40 Trinkbrunnen unterschiedlichen Designs stehen in allen Bezirken, jährlich kommen neue hinzu.

Das Prinzip von Refill ist simpel: Jeder potenzielle Anbieter kann sich registrieren lassen, besorgt sich einen Aufkleber und bringt ihn am Schaufenster an – fertig. Dann muss er nur noch allen Trinkfreudigen den Weg zum Wasserhahn weisen oder den Füllvorgang selbst in die Hand nehmen. Milena Glimbovski macht das schon in ihrem Kreuzberger Laden Original Unverpackt. Bei ihr können auch Sticker abgeholt werden, ebenso bei den Wasserbetrieben und bei a tip:tap, einem Verein, der sich für den Konsum von Leitungswasser engagiert.

„Das ist alles totally non profit“, betont Lena Ganssmann, „niemand verdient daran, auch das Motiv der Aufkleber ist frei verfügbar, wenn jemand die Initiative in einer anderen Stadt fortsetzen will.“ Bis jetzt ist auf der Refill-Karte außer den Trinkbrunnen ein gutes Dutzend Läden eingetragen. Wie viele es noch werden sollen? „Wir streben natürlich an, dass irgendwann jedes Café, jede Praxis und jede Behörde, überhaupt alles, was Öffnungszeiten hat, mitmacht“, sagt Ganssmann. In Hamburg, wo es Refill schon länger gibt, machen heute rund 60 Einrichtungen mit. So richtig Masse ist das nicht, aber vermutlich gibt es bei manchem Cafébetreiber Widerstände, potenzielle Kunden für lau mit Flüssigem zu versorgen.

Sinneswandel angestrebt

Georg Kössler, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, sieht das locker: „Die Leute zahlen ja weiterhin für Holunderschorle und Kaffee. Die einzigen, die ein bisschen drunter leiden, sind die Hersteller von abgepacktem stillem Wasser.“ Kössler unterstützt das Refill-Projekt und hofft, dass sich über die Jahre ein Sinneswandel einstellt: „Mein Ziel ist es, dass Leute in fünf Jahren ganz selbstverständlich im Café fragen, wo sie ihre Flasche auffüllen können – und sich wundern, wenn das nicht geht.“

Umweltpolitiker der Koalition arbeiten zurzeit an einem Antrag, damit Berlin sich für die Aufnahme in das internationale Netzwerk der „Blue Communities“ bewirbt. Das sind Städte, die sich für das Menschenrecht auf Wasser als öffentliches Gut stark machen und den eigenen Bürgern den Konsum von Leitungswasser schmackhaft machen. In der Schweiz etwa gibt es besonders viele „Blue Communitites“ – dort kann man schon immer an jedem Stadtbrunnen sorglos kaltes klares Wasser genießen.

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