Peter Tauber über linke Gewalt: „Die sind peinlich, aber gefährlich“

Deutschland ist nicht von links bedroht, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Die Parteien links der Mitte müssten aber ihr Verhältnis zur Gewalt klären.

Bunter Rauch steigt hinter einem G20-Logo auf

Rauch steigt über dem Dach der Roten Flora auf. Das linke Zentrum möchte Peter Tauber am liebsten schließen Foto: ap

taz.am wochenende: Herr Tauber, als Schüler spielten Sie in der Band „Papst hört Punk“. Einer der Songs hieß „Nazischnitzel, Rübe ab“. Das klang durchaus gewaltbereit und gegen rechts.

Peter Tauber: Klar war das gegen Rechtsextreme. Ich bin gegen alles, was extrem ist, weil ich nicht glaube, dass es zu was Gutem führt. Dass Musik provoziert, ist das eine, Gewalt in der politischen Auseinandersetzung etwas anderes. Das geht gar nicht.

Bei den Ausschreitungen in Hamburg war, wie wir inzwischen wissen, nicht nur der Schwarze Block unterwegs, sondern da waren auch jede Menge Krawallkids. Was hat Sie eigentlich damals davon abgehalten, gewalttätig zu werden?

Nur weil man laute Musik mag, ist man nicht gewalttätig. Dass ich Gewalt grundsätzlich ablehne, liegt sicher an meiner Erziehung, vielleicht auch an meiner kirchlichen Bindung. Bei körperlichen Auseinandersetzungen auf dem Schulhof habe ich mich immer rausgehalten.

Am letzten Wochenende twitterten Sie noch von „Brandstiftern und Plünderern“. Am Montag forderten Sie schon die Schließung der Roten Flora in Hamburg und der Rigaer Straße in Berlin. Bitte erklären Sie, was damit erreicht würde.

Das ist wie mit der Behauptung, Hooligans hätten nichts mit Fußball zu tun und Al-Qaida nichts mit dem Islam. Das ist doch Quatsch. Und genauso ist es falsch, zu behaupten, der schwarze Block hätte nichts mit linker Ideologie zu tun. Natürlich hat er das. Und die Parteien links der Mitte müssen an dieser Stelle eben ihr Verhältnis zur Gewalt klären.

Das sagt sich so leicht und verweist doch lediglich auf den politischen Gegner.

Moment! Ich bin genauso wenig bereit, das Treiben von Pegida oder Anschläge auf Flüchtlingsheime zu akzeptieren. Wenn auf der anderen Seite des politischen Spektrums Gewalt relativiert und verharmlost wird, muss man klar widersprechen. Wir dürfen Orte wie die Rote Flora nicht dulden. Das nennt man wehrhafte Demokratie.

Wäre es nicht im Sinne der Debatte, wenn die Gewalt in Hamburg nicht links, sondern menschenverachtend genannt würde?

Wenn wir uns darauf verständigen können, dass Gewalt, wenn sie von Islamisten oder von Rechtsextremen ausgeht, auch menschenverachtend ist, habe ich mit der Definition kein Problem. Mir geht es darum, dass nach Hamburg versucht wird, die Verbindung von extremen linken Einstellungen und Gewalt zu leugnen. Und das geht nicht. Dieser unbequemen Debatte kann sich die politische Linke in Deutschland nicht entziehen.

42, ist seit Dezember 2013 Generalsekretär der CDU und war damit der jüngste CDU-Politiker in diesem Amt. Seit 2009 sitzt er im Bundestag. Tauber ist Historiker und Oberleutnant der Reserve.

Wie distanziert man sich denn als SPD korrekt? Wann wäre es für die CDU ausreichend?

Nach allem, was man in Hamburg an linker Gewalt gesehen hat, muss klar sein, dass es keine Relativierung geben darf. Rot-Grün in Hamburg und Rot-Rot Grün in Berlin müssen prüfen, was im Fall der Roten Flora oder der Rigaer Straße zu tun ist. Dass es erst mal schwer ist, einzugreifen, nachdem sich so eine Struktur festgesetzt hat, ist nachvollziehbar. Aber dennoch muss man es tun.

Wird Deutschland aktuell von links bedroht?

Nein. Wir sind eine starke Demokratie. Aber, auch das ist eine Lehre aus der deutschen Geschichte: Man muss den Anfängen wehren.

Ihre Regierungskoalition hat 2014 die umstrittene Extremismusklausel abgeschafft. Jetzt fordern Sie, bei der Vergabe von Geldern an Anti-rechts-Initiativen wieder ein Bekenntnis zum Grundgesetz zu verlangen .

Um zuzuschauen, wie sich Linksextreme und Rechtsex­treme gegenseitig bekämpfen, braucht der Staat keine Mittel bereitzustellen.

Hass und Gewaltbereitschaft kriegen Sie aber so aus den Leuten nicht raus. Die brauchen keine Projektmittel für ihr geschlossenes Weltbild.

Das stimmt. Man muss die Frage stellen: Was läuft da schief, warum kommt es zu dieser Gewalt ganz rechts und ganz links? Für mich ist das auch eine Bildungs- und Erziehungsfrage.

Was meinen Sie damit?

Ich glaube, das ist eine Aufgabe, der sich Wissenschaftler stellen müssen, nicht nur Politiker wie ich. Gerade unter Rechtsextremisten finden sich Menschen, die Angst vor Verlust haben, keinen Platz für sich in der Gesellschaft sehen und das nicht artikulieren können. Ob es das bei Linksextremen auch gibt oder ob es einfach nur Langeweile und die Lust an der Provokation ist, weiß ich nicht genau. Ich sehe da junge Menschen, die in Deutschland alle Freiheitsrechte haben, aber meinen, hier den Kampf gegen den Kapitalismus führen zu müssen. Die schmeißen Steine gegen die Globalisierung – und stärken sich dann mit einem Happy Meal bei McDonald’s. Das ist doch lächerlich.

Das sagen Sie.

Ja. Die kleben sich die Markenlogos an den Klamotten ab und zünden dann Kleinwagen von Familien an. Die sind für mich peinlich, aber leider eben auch gefährlich.

Inklusion ist kein Zuckerschlecken: Auf Rügen gibt es keine Förderschulen mehr, in Berlin schon. Welches Modell ist besser? Die taz.am wochenende vom 15./16. Juli war auf der Insel und in der Stadt. Außerdem: Sammeln Sie auch Taubsis und Schlurps? Bekenntnisse zum ersten Geburtstag von "Pokémon Go". Und: Würden Trump-Wähler ihren Kandidaten heute wieder wählen? Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Seit einer Woche geht es munter hin und her zwischen den Großkoalitionären. Die Union bezichtigt die SPD der Nähe zum Linksextremismus. Gabriel wirft der CDU Verlogenheit vor. Was bringt das?

Nun, es wird ja gern geschimpft, die Parteien seien nicht mehr unterscheidbar. Aber natürlich haben wir jeweils eine Verortung: Die SPD sieht sich als linke Volkspartei, wir sind klar in der Mitte positioniert. Insofern finde ich diese Auseinandersetzung nicht schlimm. Wenn ich sehe, was uns von SPD-Führungsfunktionären an Unverschämtheiten an den Kopf geworfen wird – was die Wurzeln der CDU betrifft, wie oft wir da in die Nähe der Nazis gerückt worden sind von Stegner und Co. –, da muss sich die SPD mal die Frage gefallen lassen, wie sie es mit der klaren Abgrenzung von der Linkspartei hält, die Angriffe auf Polizisten rechtfertigt.

Wäre es nicht wichtiger, die Große Koalition würde jetzt ihre Arbeits- und Gesprächsfähigkeit unter Beweis stellen, statt mit dem Thema Wahlkampf zu machen?

Die SPD spielt doch gerne Opposition in der Regierung. Wir als Union haben immer deutlich gemacht, dass wir trotz des einsetzenden Wahlkampfs gut weiterregieren wollen. Erst das Land, dann die Partei. Das sieht man ja an Angela Merkel, wie sie dafür gerackert hat, auf dem G20-Gipfel die Ziele, für die sie seit Langem kämpft, durchzusetzen. Zum Beispiel beim Thema Klimaschutz, der stärkeren Teilhabe von Frauen oder bei der Unterstützung für Afrika …

… Sie weichen aus, Herr Tauber. Ich frage Sie nach der innenpolitischen Lage, und Sie kommen mit globalen Verträgen …

Ich weiche nicht aus. Rein innenpolitische Themen gibt es doch kaum noch. Der Klimawandel berührt uns alle, der Freihandel, die Flüchtlinge, islamistischer Terrorismus – das sind globale Themen. Innen- und Außenpolitik hängen so eng zusammen wie noch nie.

Die Opfer der Gewalt – PolizistInnen, verletzte DemonstrantInnen, geschädigte HamburgerInnen – dürften sich durch den Groko-Knatsch eher nicht respektiert fühlen. Wie kommen SPD und Union aus dieser Erregungsspirale wieder raus?

Erstens kümmern wir uns darum, dass den Opfern der Gewaltexzesse schnell und unbürokratisch geholfen wird. Zweitens sollten wir deutlich über die Erfolge des Gipfels sprechen: Von Freihandel über Klimaschutz, die Bekämpfung von Krankheiten, die Chance auf Frieden in Syrien bis hin zu inklusivem Wachstum in Afrika kann sich das sehen lassen. Und drittens klären wir dann mal, ob wir künftig wollen, dass solche Treffen nur noch in Russland oder China stattfinden können – wo es eben keine Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen und keine friedlichen Proteste geben darf.

Halten Sie es für ein gelungenes Konzept, eine ganze Stadt lahmzulegen? Hotels gibt es doch auch woanders.

Bei mir in Aufenau im Landgasthof Zur Quelle hätte es nicht geklappt. Obwohl es da sehr schön ist. Aber Scherz beiseite: So eine Veranstaltung braucht die entsprechende Logistik und In­fra­struk­tur. Die gibt es nur in großen Städten. Und mal ganz grundsätzlich: Ich lasse mir doch nicht von irgendwelchen gewaltbereiten Extremisten diktieren, wo ein demokratischer Rechtsstaat Veranstaltungen durchführt.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat sich bei seinen Bürgern entschuldigt. Eine ungewöhnliche Geste im politischen Geschäft. Ist das genug?

Die Größe, zu sagen, man hat etwas falsch gemacht, hat nicht jeder. Das ist erst mal gut. Aber dabei darf es natürlich nicht bleiben. Die Frage, welche Schlussfolgerungen der Hamburger Senat daraus zieht, ist noch offen.

Sie selbst haben sich kürzlich auch entschuldigt, für Ihren Minijob-Tweet. Wie kam das an?

Unterschiedlich. Es gab die, die gesagt haben: Gut, dass Sie um Entschuldigung bitten. Und es gibt welche, die politisch woanders stehen und einem das nie nachsehen werden. Damit werde ich leben müssen. Aber ehrlich gesagt, jeder von uns macht mal was falsch oder sagt was Dummes. Der Tweet bleibt doof, keine Frage. Auch weil ich mich von einem rechtsextremen Troll habe provozieren lassen.

Der Titel Ihres Wahlprogramms lautet „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Lebt es sich gut und gerne in einem Land der Rechthaber?

Auf jeden Fall lebt es sich gut und gerne in Deutschland. Und wir wollen weiter dafür arbeiten, dass das so bleibt. Aber man muss natürlich nicht auf alles und jedes, was einem so am Wegesrand begegnet, reagieren.

Hat unsere Gesellschaft, erst recht in Wahlkampfzeiten, ein Kommunikationsproblem?

Manchmal könnte es schon eine Nummer kleiner gehen. Andererseits wünschen sich Menschen Unterscheidbarkeit. Das gehört nun mal dazu. Was mich an politischen Debatten aber oft nervt, sind diese Aufregungsspiralen: Heute sind wir drin und übermorgen schon wieder draußen. Es wäre ganz gut, wir guckten mal auf das, was dahintersteht. Und damit bin ich wieder bei G20: Was tun wir denn jetzt wirklich gegen den Klimawandel? Wie helfen wir Afrika? Wie wichtig ist es, dass die wichtigsten Länder der Welt sich auf Gemeinsamkeiten ­verständigen? Wenn wir darauf wieder zurückkommen, dann lohnen sich auch Aufregung und Streit.

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