Es werde Nationalpark

Naturschutz Ein Jahr lang suchte Bayerns Regierung einen neuen Nationalpark.Die Landbevölkerung demonstrierte fleißig dagegen. Heute soll es ein Ergebnis geben

Horst Seehofer (links) inspiziert mit seinem Kabinett (vorn: Junge Union) die Schwarzen Berge an der Rhön Foto: Georg Knoll/laif

von Dominik Baur

Von den verbliebenen vier Kandidaten ist das Mittelgebirge zwischen Frankfurt und Würzburg der Liebling der Naturschützer. Vor allem seine alten Buchen- und Eichenwälder machen den Spessart einzigartig und aus fachlicher Sicht zum am besten geeigneten Standort. Sein Gebiet erstreckt sich zwischen Frankfurt und Würzburg und liegt zu 70 Prozent in Bayern. Es ist das größte ­zusammenhängende Laubmischwaldgebiet in Deutschland. Der vom CSU-Landtagsabgeordneten Peter Winter geführte Protest ist so wütend, dass Seehofer eine Entscheidung pro Spessart meiden dürfte. (dob)

MÜNCHEN taz | Eine der größten Attraktionen der Rhön ist noch nicht einmal drei Millimeter lang. Ihr Name: Bythinella compressa oder zu Deutsch: Rhön-Quellschnecke. Sie schimmert gelblich-grau, lebt im Wasser und ist vor allem eines: selten. Sie steht nicht nur als stark gefährdete Art auf der Roten Liste, sondern ist auch noch endemisch, das heißt: Sie kommt ausschließlich in den Wäldern der Rhön und im Vogelsberg vor.

Die seltene Rhön-Bewohnerin ist selbstverständlich nicht der Hauptgrund, weshalb das Mittelgebirge als heißer Anwärter für den dritten bayerischen Nationalpark gilt. Seit einem Jahr ist die bayerische Staatsregierung auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Ende Juli 2016 hatte Ministerpräsident Horst Seehofer bei einer Kabinettsklausur verkündet: Es werde Nationalpark. Der Freistaat solle einen dritten Nationalpark bekommen, neben dem Bayerischen Wald und Berchtesgaden.

Bloß wo? Innerhalb eines Jahres, so hieß es, werde Umweltministerin Ulrike Scharf einen Vorschlag vorlegen. Am heutigen Dienstag soll es so weit sein: Da will das bayerische Kabinett beschließen, welche Region den besonderen Status erhält. Möglicherweise wird der endgültige Beschluss aufgeschoben, um die Sondierungsgespräche mit zwei Regionen fortzusetzen. Laut Süddeutscher Zeitunggab es intern auch schon eine entsprechende Entscheidung: Neben der Rhön sollen die Donauauen, ein persönlicher Favorit Seehofers, weiter im Rennen bleiben.

Im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen ist die Donau noch ziemlich naturbelassen und somit grundsätzlich als Nationalpark geeignet. Nur:Der schmale Streifen am Donauufer ist gerade einmal 5.000 Hektar groß. Da die Mindestgröße für einen Nationalpark 10.000 Hektar beträgt, bräuchte man noch einen ­„Partner“, etwa die Isarauen. Für die Region sprechen zwei Besonderheiten: Ein Auen-Nationalpark wäre etwas Neues unter den deutschen Nationalparks. Rein pragmatisch gedacht: Es ist ein Anwärter, der die Sympathie des örtlichen Landtagsabgeordneten hat: Horst Seehofer. (dob)

Der dritte Nationalpark ist ein Prestigeprojekt der CSU-geführten Staatsregierung, die zeigen will, wie ernst sie den Naturschutz nimmt. Andere Großprojekte wie die dritte Startbahn für den Münchner Flughafen oder die Skischaukel am Riedberger Horn sprechen derzeit eher eine andere Sprache. Ein Umstand, der die Naturschutzverbände in ein Dilemma bringt: Natürlich wollen sie keine Wahlkampfhilfe für die CSU leisten. Aber die Chance auf einen weiteren Nationalpark will man auch nicht vergeben.

Der Großteil des Mittelgebirges im Dreiländereck von Hessen, Bayern und Thüringen ist seit 1991 Unesco-Biosphärenreservat. Das Gebiet ist reich an Pflanzen- und Vegetationsarten, auch wenn die dortigen Buchenbestände nicht so groß und so alt wie die im Spessart sind. Einer Studie zufolge hätte die Rhön von allen Kandidaten den größten Boom zu erwarten. Im Jahr 2050 rechnet die Studie dort mit über 1.000 neuen ­Arbeitsplätzen und einem Zusatzeinkommen von 27,5 Millionen Euro. Ein grenzüberschreitender Nationalpark wäre denkbar. Gespräche mit Hessen soll es bereits gegeben haben. (dob)

Ausgerechnet ein CSU-Mann übt die deutlichste Kritik an seiner Partei: der Bundestagsabgeordnete Josef Göppel. Im Bayerischen Rundfunk spricht Göppel von einem Ablenkungsmanöver. Während alles auf den neuen Nationalpark schaut, würde das übrige Land zubetoniert. Hintergrund ist der Landesentwicklungsplan von Heimatminister Markus Söder, der Gewerbeansiedlungen auf der grünen Wiese und Bauland am Ortsrand erleichtert. Neben der Rhön und den Donauauen sind vor allem noch der Spessart und der Frankenwald im Gespräch. Viele Experten halten zwar den fränkischen Steigerwald mit seinem eindrucksvollen Buchenbestand für den überzeugendsten Kandidaten, doch just den hatte Seehofer als einzige Region kategorisch ausgeschlossen.

Der Widerstand der AnwohnerInnen gegen einen Natio­nalpark Frankenwald ist besonders groß. Selbst Naturschützer halten den Kandidaten in Oberfranken für eher ungeeignet, trotz einer besonders vielfältigen Fauna. Das hängt vor allem mit der dominierenden Baumart zusammen: Vor Jahrhunderten gab es hier einen Mischwaldbestand, heute ist der Frankenwald ein Fichtenwald. Einen Fichten-Nationalpark gibt es allerdings schon im Bayerischen Wald. Wegen der großen Schäden, die der Borkenkäfer anrichtet, gibt es Zweifel, ob man einen weiteren Fichtenwald sich selbst überlassen sollte. (dob)

Als Grund gab er den massiven Widerstand der Bevölkerung vor Ort an, die etwa Einbußen in der Holzwirtschaft fürchtet. Als Anführer gilt Gerhard Eck, Innenstaatssekretär und außerdem Chef der Unterfranken-CSU.

Den Widerstand bekam Ministerin Scharf bei ihren Besuchen zu spüren. Trillerpfeifen und Transparente – überall gehen die Anwohner auf die Barrikaden. So werden es kaum fachliche Kriterien sein, die für die Entscheidung den Ausschlag geben werden, sondern der Weg des geringsten Widerstands für die Landesregierung. Im Umweltministerium dürfte mit Interesse registriert worden sein, dass es eine Anwohnerin gibt, die sich bislang auffallend ruhig verhält: die Rhön-Quellschnecke.