Bewegung bei Musterklage gegen Unternehmen

Diesel II CSU-Chef Seehofer signalisiert wegen des Abgasskandals Wohlwollen für das Gesetzesvorhaben

Will Sammelklagen ermöglichen: Bundesjustizminister Maas Foto: dpa

FREIBURG taz | In Deutschland könnte doch bald eine Art Sammelklage für Verbraucher eingeführt werden. „Ich bin da nicht abgeneigt“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer im ZDF, „wenn die Automobilindustrie so weitermacht, dass man den Eindruck haben muss, sie steht nicht transparent zu ihrer Verantwortung“. Justizminister Heiko Maas (SPD) hakte sofort nach. Eine Musterklage „könnte den Autokäufern in Deutschland bereits offenstehen, wenn CDU/CSU sie nicht in der laufenden Wahlperiode blockiert hätten“.

Wenn es nach Maas geht, sollen zunächst Verbraucherverbände die zentralen Rechtsfragen mit einem Unternehmen klären. Möglich ist ein Musterprozess vor Gericht oder ein Vergleich. Auf diese „Musterfeststellung“ könnten sich dann alle Verbraucher berufen, die sich rechtzeitig für 10 Euro Gebühr in ein Register eingetragen haben. Das sieht der Entwurf für ein Musterfeststellungsklagegesetz (MFKG) vor, den Maas schon im Dezember 2016 vorgelegt hatte.

Verbraucher könnten so die Verjährung in ihrem Fall unterbrechen, ohne selbst klagen zu müssen. Ihnen würden damit also gegenüber der heutigen Rechtslage Kostenrisiken erspart. Mehr Verbraucher, so die Überlegung von Maas, würden dann von ihren Rechten Gebrauch machen. Die Vorschaltung eines Musterverfahrens wäre vor allem für Massenschäden mit vielen ähnlich gelagerten Fällen geeignet, etwa bei Dieselkäufern, die Schadensersatz verlangen oder den Kauf rückgängig machen wollen.

In der Bundesregierung hatte der Entwurf bisher aber keine Chance. „Das lehnen wir ab!!! Komplett streichen!“ schrieb Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Dezember handschriftlich auf eine Kabinettsvorlage. Die unionsgeführten Ministerien verhinderten sogar, dass der Referententwurf zur Anhörung an Länder und Verbände verschickt werden durfte. Maas griff vorige Woche deshalb zu einem Trick und verschickte am Donnerstag einen nur leicht geänderten „Diskussionsentwurf“ des MFKG. Nach den neuen Signalen von Seehofer scheint eine Einigung doch noch möglich zu sein.

In der CDU/CSU-Fraktion zeigte man sich schon länger aufgeschlossen und hatte vor allem Sachkritik. „Eine Klage-Industrie nach US-Vorbild muss definitiv ausgeschlossen sein“, fordert Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der Union, „es muss verhindert werden, dass ausländische Großkanzleien über ‚Strohmann‘-Verbrauchervereine aus dem EU-Ausland bei uns klagen können“. Im Justizministerium hält man solche Fragen für lösbar.

Mit Sammelklagen könnten Autokäufer leichter gegen die Konzerne vorgehen

Peinlich ist für Maas jedoch, dass sein Gesetzentwurf für die meisten Diesel-Käufer zu spät kommen wird. Denn die Vorschrift soll erst „24 Monate“ nach Beschluss in Kraft treten. Mit VW habe das aber nichts zu tun, versichert man im Ministerium. Der Aufbau des Klageregisters sei einfach so kompliziert. Christian Rath