Die Gesellschaftskritik
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Den Babybauch am Ostseestrand sonnen? Keine gute Idee Foto: dpa

Urlaubstopp für Schwangere

WAS SAGT UNS DAS? Schwangere Frauen müssen sich vielen Herausforderungen stellen. Jetzt sollen sie nicht mal mehr verreisen. Schuld daran: die Krankenkassen

Die Berliner Elterninitiative Mother Hood hat zum Start der Sommerferien eine Reisewarnung für Schwangere auf ihrer Website veröffentlicht. Zu sehen ist eine Karte in Gelb- und Rottönen; je dunkler das Rot, desto schlechter die Versorgung im Ort. Gründe dafür sind Hebammenmangel und überfüllte oder nicht vorhandene Kreißsäle. Tiefrot sind Hessen, Bayern, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin – dort als Hochschwangere Urlaub zu machen, hält die Initiative demnach für eine schlechte Idee. Wohin dann aber zum deutschen Sommerausflug? Nach Bielefeld oder an die Nordsee, an dem das Meer kommt und geht, wie es will?

Die Aktion der Elterninitiative verdeutlicht die schwierigen Umstände für Schwangere. Als gäbe es nicht schon genug Herausforderungen während Schwangerschaft und Geburt, kommt die Sorge um Hebammen und einen Platz im Kreißsaal hinzu. Der Deutsche Hebammenverband kritisiert die schwierigen Arbeitsbedingungen, etwa die geringe Vergütung und die stark angestiegenen beruflichen Kosten für Hebammen. Wenige Kliniken können sich Festangestellte leisten und greifen auf Beleghebammen, also freiberuflich Arbeitende, zurück. Doch auch diese Zahlen gehen zurück. Wieso? Ein aktueller Rechtsstreit verschlechtert die Arbeitsbedingungen. Krankenkassen wollen durchsetzen, dass Hebammen nur noch zwei Frauen zur gleichen Zeit betreuen dürfen. Für jede weitere zahlt die Krankenkasse kein Geld mehr.

Die Reisewarnung ist provokant, doch ein Vorfall in Berlin-Neukölln vergangene Woche zeigt, wie real die Gefahr ist: Laut RBB-Bericht wurde ein Berliner Paar kurz vor der Geburt ihres Kindes von einem Krankenhaus abgewiesen. Als Begründung nannte man ihnen überfüllte Kreißsäle und verwies sie an ein anderes Krankenhaus, dafür sei noch genug Zeit. Doch das war nicht der Fall. Das Paar schaffte es mit dem Auto nur bis zum Parkplatz. Dort kam das Kind ohne zusätzliche Hilfe auf die Welt.

Krankenkassen sollten den Hebammen bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne zusichern, das steigert die Attraktivität, sich als Hebamme ausbilden zu lassen. Bis dahin, wäre ein kassenfinanziertes Luxushotel mit Spabereich, Kreißsälen und für jeden Gast eine Hebamme auch eine Lösung. Zum Beispiel auf Ibiza? Dann verzichten die Schwangeren vielleicht auch auf die Ostsee. Carolina Schwarz