Berliner Szenen
: Ist doch kacke

Diese Ausländer

In meiner Gegend wohnen nicht mehr viele alte Menschen

Ich laufe auf dem Bürgersteig in Prenzlauer Berg, schiebe mein Fahrrad neben mir und warte darauf, dass mein Hund kackt und ich das Kackhäufchen in eine Tüte befördern darf. Doch der Hund lässt sich Zeit, er hebt lieber sein Bein an jeder Motorrad-Schutzhülle und an jeder „zu verschenken“-Kiste vor der Tür.

Es ist 8.30 Uhr, und die Sonne scheint. Ein alter Mann (nicht „alt“ im Sinne von über 50, sondern eher über 80) steht vor einem Hauseingang und genießt die Sonne.

Er trägt ein rot-weiß gestreiftes Hemd, hat weiße Haare und rote Wangen. In meiner Gegend wohnen nicht mehr viele alte Menschen, die Gentrifizierung hat sie gnadenlos vertrieben, und der Kiez ist mit jungen, gut verdienenden Familien besiedelt.

Vor mir läuft eine junge Frau mit langen, dunklen Haaren. Vielleicht ist sie die Tochter der vietnamesischen Gemüsehändler gegenüber, aber ich kann das von hinten nicht sicher erkennen. Als sie an dem Mann vorbeikommt, ruft er ihr irgendetwas zu. Sie reagiert nicht und läuft zügig weiter.

Als ich den Mann passiere, ruft er mir zu: „Immer diese Ausländer! Da lächelt man die einmal nett an, und schon denken sie, man käme ihnen hinterher …“. Er hat mich also trotz Fahrradhelm und Sonnenbrille für deutsch befunden und hat bei mir keine Angst, dass ich Angst habe, er käme mir hinterher.

Was soll ich antworten? Wo ist die Schlagfertigkeit, wenn Mensch sie braucht? Ich ­antworte lahm: „Das passiert Ihnen doch bei Deutschen genauso!“ Er schüttelt energisch den Kopf, beschäftigt sich eine Weile mit meinem Hund und fragt ihn, wie es ihm so gehe. Der Hund verhält sich wie ein ordentlicher Ausländer und antwortet nicht. Endlich setzt er sich hin und kackt.

Nicola Schwarzmaier