Putins bester Mann

Lobbyismus SPD-Kanzlerkandidat Schulz distanziert sich von Exkanzler Schröder,weil der mit einem russischen Konzern liebäugelt. Özdemir wirft SPD „Putin-Nähe“ vor

„Ich würde das nicht tun“, stellte Martin Schulz klar Foto: Michael Weber/imago

aus Berlin Ulrich Schulte

Martin Schulz zog am Ende die Notbremse – und distanzierte sich von seinem prominenten Parteifreund. „Das ist Gerd Schröders Privatsache und hat mit der Politik der SPD nichts zu tun“, schrieb Schulz am Dienstag auf Facebook. Exkanzler Schröder sei erfahren genug zu wissen, welche Angebote er annehme. Dann wurde Schulz deutlich: „Ich würde das nicht tun.“ Auch nach seiner Zeit als Bundeskanzler werde er keine Jobs in der Privatwirtschaft annehmen.

Der SPD-Kanzlerkandidat baut eine Brandmauer zwischen der Partei und Schröder. Seitdem bekannt wurde, dass Schröder mit einem gut dotierten Aufsichtsratsposten bei dem russischen Öl- und Gaskonzern Rosneft liebäugelt, der mehrheitlich dem Staat gehört, muss sich die SPD peinliche Fragen gefallen lassen. Ist es Privatsache, wenn ein Exkanzler bei einem Konzern einsteigen will, der eng verquickt ist mit Putins autokratischer Herrschaft? Was sagt das über die Russland-Politik der SPD?

Der Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir griff die SPD am Mittwoch scharf an. „Jetzt rächt sich die Putin-Nähe der Sozialdemokratie. Sie findet keine klare Absage an die Kumpanei mit Putin“, sagte er der taz. Er frage sich, ob Schulz das Problem erkannt habe, wenn er erkläre, dass er keine Jobs in der Privatwirtschaft annehmen wollen würde. „Nicht die Privatwirtschaft ist das Problem der SPD, sondern die Verbindung zur russischen Staatswirtschaft.“

Sechs Wochen vor der Bundestagswahl serviert Schröder seiner Partei eine hochnotpeinliche Debatte. Die Nachricht hatte die SPD-Spitze am Freitag kalt erwischt. Die russische Regierung veröffentlichte ein Dekret von Ministerpräsident Dmitri Medwedjew. Es gebe sieben Kandidaten für den Posten eines „unabhängigen Direktors“ des Unternehmens, darunter Schröder. Die Wahl Schröders Ende September gilt eher als Formalie. Besonders brisant: Rosneft steht nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 auf der Sanktionsliste der EU.

Es habe keine Vorwarnung des Exkanzlers gegeben, hieß es in der SPD. Über seine Tätigkeiten entscheide er im Alleingang. Schröder, der als Kanzler Putin als lupenreinen Demokraten bezeichnet hatte, heuerte unmittelbar nach seiner Amtszeit 2005 bei der Nord Stream AG an, die mehrheitlich der russischen Gazprom gehört. Und nun Rosneft? Medien berichteten zu Wochenbeginn über seine Ambitionen – obwohl eine Bestätigung Schröders fehlte. Jene kam dann am Dienstagabend, und sie machte die Sache aus Sicht vieler SPDler noch schlimmer. Denn Schröder dachte nicht daran, klein beizugeben. „Ich habe den Eindruck, das hat weniger mit meiner Tätigkeit zu tun als vielmehr mit dem Wahlkampf. Hier soll offenbar Frau Merkel geholfen werden“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Hier soll offenbar Frau Merkelgeholfen werden“

Gerhard Schröder, EXKanzler

Schröder kritisierte auch den Bericht der Bild-Zeitung. Dort hieß es unter Berufung auf den Geschäftsbericht 2016, dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen gezahlt habe. Das seien fast sechs Millionen pro Person. Die Summen seien völlig absurd, sagte Schröder. Für die für ihn vorgesehene Rolle würde er weniger als ein Zehntel der genannten Summe erhalten, falls er gewählt werde. Also: weniger als 600.000 Euro pro Jahr. Der Exkanzler fügte hinzu: „Das ist ja noch überhaupt nicht entschieden.“ Diese Sätze dürften normal verdienende Wähler verstören. Fast 600.000 Euro pro Jahr für den Mann, der Hartz IV einführte? In der SPD sorgte Schröders Ansage für Entsetzen. Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen betonte am Mittwoch Schröders Distanz zur Partei. Er sei seit vielen Jahren kein Politiker mehr „und konsultiert die SPD nicht, bevor er Entscheidungen trifft“, sagte er der taz. Auch er sagte, dass es um die Entscheidung eines Privatmannes gehe. Der Versuch, die berufliche Entscheidung eines solchen zum Wahlkampfthema zu machen, sei zu durchschaubar, um zu verfangen.

Die Causa sei „sehr unangenehm für die Partei, moralisch und politisch“, meinte auch ein Stratege. Bei so einer Geschichte eine Kampagne der Gegenseite zu unterstellen, sei auch nicht gerade hilfreich. In der SPD verwies man darauf, dass es nicht möglich sei, Schröder in die Schranken zu weisen – gegen solche Posten gebe es keine rechtliche oder politische Handhabe. Noch im Juni war die SPD übrigens hingerissen von dem angeblichen Privatmann. Auf dem SPD-Parteitag begeisterte ein kampfeslustiger Schröder die Delegierten. Der Mutmacher ist zum Problem geworden.

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