Überschwemmungen in Sierra Leone: Die Massengräber sind noch nicht voll

Wo 2014 die Ebola-Toten begraben wurden, landen jetzt die Opfer der Regenfälle und Erdrutsche in der Hauptstadt Freetown.

Arbeiter in Freetown heben in roter Erde Gräber aus

Auf dem Paloko-Friedhof in Freetown heben Arbeiter neue Gräber aus Foto: reuters

BERLIN taz | Jeden Tag werden die Massengräber gefüllt. 139 Leichen am Dienstag, 60 am Mittwoch, rund 300 am Donnerstag, und noch sind nicht alle Toten geborgen, die bei den Überschwemmungen und Erdrutschen in Sierra Leones Hauptstadt Freetown nach heftigen Regenfällen Anfang der Woche ums Leben kamen.

600 werden offiziell noch vermisst, manche befürchten, die Zahl der Toten könnte in die Tausende gehen. Im Außenviertel Regent, wo beim Einsturz des Hügels Sugar Loaf am Montagmorgen die meisten Menschen starben, graben Soldaten immer noch im Schlamm. Während es weiter regnet, stehen jeden Tag Menschen vor der städtischen Leichenhalle an, um ihre Angehörigen zu identifizieren – eine schier unmögliche Aufgabe.

„Es dreht einem den Magen um“, berichtete bereits am Dienstag von der Halle der örtliche BBC-Reporter Umaru Fofana. „Es sind zu viele Leichen, um sie zu zählen, sie sind außerhalb der Halle verstreut, und die ist bis oben voll. Mehr als 80 wurden an diesem Morgen angeliefert, die Gesamtzahl nähert sich 400. Sie werden sortiert, bevor die Massenbegräbnisse beginnen. Pathologe Owiz Koroma, der dies seit Jahrzehnten macht, sagt, er hat so etwas noch nie erlebt.“

Die meisten Toten, berichtet die lokale Zeitung Concord Times, seien in so schlechtem Zustand, dass sie nicht mehr identifizierbar sind, und in der feuchten Tropenhitze verwesen sie schnell. Viele der Wartenden müssen unverrichteter Dinge kehrtmachen. Wie schon bei der Ebola-Epidemie von 2014/15 haben die Hinterbliebenen keine Gelegenheit, sich würdig zu verabschieden.

Die Toten landen auf einem Sammelfriedhof

Begraben werden denn auch meistens Leichensäcke mit Körperteilen drin. Die Toten landen auf einem Sammelfriedhof, wo vor weniger als drei Jahren die Ebola-Toten beigesetzt wurden.

Die Beerdigungszeremonie am Donnerstag, die bisher größte, war die erste in Anwesenheit von Staatspräsident Ernest Bai Koroma. Er und seine gesamte Regierung sind von der Katastrophe überwältigt. Die Regierung rief am Dienstag sieben Tage Staatstrauer aus, ordnete die höchste Sicherheitsstufe an und bat um internationale Hilfe.

Hilfe wird mobilisiert, aber außer Guineas Präsident Alpha Condé hat kein Staatschef in Freetown Solidarität gezeigt, und in Sierra Leones Hauptstadt regt sich Kritik. Bevor der Präsident um Hilfe bittet, sollte er sagen, was er mit den Ebola-Hilfsgeldern gemacht hat, sagen manche. Und wieso gab es keine Unwetterwarnung und auch nach drei Tagen schweren Regens keine Evakuierung gefährdeter Viertel?

Sama Banya, Naturschützer

„Wir haben immer wieder Warnschreie abgegeben“

Freetown ist eine Millionenstadt, die in den vergangenen Jahrzehnten des Bürgerkriegs und der Krise schnell und unkontrolliert gewachsen ist. Wälder, die steile Hänge stabil hielten, wurden gerodet, um Wohnvierteln Platz zu machen.

„Wir haben immer wieder Warnschreie abgegeben, dass wir irgendwann den Preis zahlen werden“, schreibt im Sierra Leone Telegraph der Gründer der sierraleonischen Naturschutzvereinigung, Sama Banya. Direkt gegenüber von Plakatwänden, auf denen die staatliche Umweltschutzbehörde vor dem Klimawandel warnt, sei ein Hügel für Besiedlung gerodet worden. Im Unglücksort Regent erinnere er sich an Besuche von Offiziellen, „die all denen, die auf den Gipfeln und Hängen der Wälder der westlichen Halbinsel bauen, das Höllenfeuer androhten. Niemand nahm davon die geringste Notiz (…) Gebäude sind an den ungeeignetsten Orten errichtet worden, weil die Eigentümer mächtig sind und über die üblichen Beziehungen verfügen.“

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