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DIGITAL Wie finde ich mich bloß als Geflüchteter in Berlin zurecht? Eine Syrerin und zwei Afghanen haben die „Arriving in Berlin“-App entwickelt, die genau dies erleichtern soll

Drei Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Deutschland, September 2015 Foto: Roland Geisheimer/attenzione

von Annika Glunz

Was bedeutet es, in einer Stadt wie Berlin anzukommen? Was bedeutet es für Geflüchtete, die sich nicht nur alltäglichen Fragen, sondern auch grundsätzlichen Herausforderungen stellen müssen? Wer unterstützt mich, wenn ich das Asylverfahren nicht verstehe? Wo finde ich einen Kinderarzt? Wo befinden sich Orte für Weiterbildung und Arbeit, Familie und Freizeit? All die Fragen, die sich stellen, wenn man neu ist in einer Großstadt wie Berlin, können schnell überfordern. Oft müssen unnötige Umwege genommen werden, um passende AnsprechpartnerInnen zu finden.

Um diesem anfänglichen Chaos Abhilfe zu leisten, startete das Haus Leo (Berliner Stadtmission) in Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt bereits 2015 das Projekt „Arriving in Berlin – a map made by refugees“. Mithilfe einer kollektiv erstellten Karte speziell für diese Zielgruppe sollen sich Geflüchtete besser an der Spree zurechtfinden. Ein Team um die syrische Lehrerin Najlaa Ibrahim, den afghanischen Stadtplaner Hamidullah Ehrari und den afghanischen Übersetzer Mohammad Yari hat so in Zusammenarbeit mit der Organisation „Refugees on Rails“ all die in der Karte gesammelten Informationen über eine App zugänglich gemacht.

Wo befindet sich die nächste Arztpraxis?

Neu Ankommende in Berlin erhalten hier direkte Informationen unter anderem über Beratungsstellen, Ärzte, Sprachkurse oder auch freie WiFi-Netzwerke. Die „Arriving in Berlin“-App ist kostenlos und auf Arabisch, Farsi, Sorani/Kurdisch, Französisch, Englisch und Deutsch verfügbar. Um die Übersetzung kümmerte sich das kleine Team selbst. Bisher konnte die App nur mit Android-Smart­phones genutzt werden, ab jetzt gibt es sie auch für iPhones, wie Ralf Rebmann stolz, ebenfalls Teil des „Arriving in Berlin“-Teams, stolz verkündet.

„Wir haben mit dem HKW schon vor 2015 in Form eines Fotoprojektes zusammengearbeitet, aber ein ausschlaggebender Faktor dafür, gemeinsam das Mapping voranzutreiben, war sicherlich die Lageso-Krise vor zwei Jahren“, erinnert sich Ehrari, „wir wollten uns gegenseitig helfen, indem wir anderen unsere jeweiligen Erfahrungen und Geschichten zur Verfügung stellen und auch sichere Zufluchtsorte aufzeigen“. Übersetzer Yari erinnert sich: „Am Anfang unseres Mapping-Projekts stand ein großes manuelles Brainstorming. Wir saßen zusammen über Stadtpläne gebeugt und haben dort all die Orte eingezeichnet, die uns einfielen.“

Bei der gemeinsamen Arbeit ging es jedoch im Lauf der Zeit um viel mehr als um das bloße Zusammentragen von Informationen über Standorte: Im Zuge der Entwicklung der App organisiert das Team regelmäßige Workshops. Lehrerin Ibrahim sich an einen Workshop, den sie vor einem Jahr speziell für Frauen anbot: „Die Teilnehmerinnen tauschten sich dar­über aus, was es speziell für geflüchtete Frauen bedeutet, in einer Stadt wie Berlin anzukommen, welche Erfahrungen sie gemacht haben und welche Orte sie bereits gefunden hatten. Es war ein Zusammentragen unterschiedlicher weiblicher Perspektiven“. Eine solche Form kollektiven Mappings kann also auch ein politisches Instrument sein – und ganz sicher ein gutes Tool zur Partizipation.

Die App gibt es auf Arabisch, Farsi, Kurdisch, Französisch, Englisch, Deutsch

Anfragen ausanderen Ländern

Die „Arriving in Berlin App“ ist die erste ihrer Art in Deutschland – weitere Projekte stehen in anderen Regionen und Städten in den Startlöchern. Aufgrund seiner Vorreiterrolle wird das Berliner Team oft um Rat gebeten: „Wir haben sogar Anfragen aus anderen Ländern bekommen, ob wir dort Workshops über die Entwicklung solcher Apps geben können“, berichtet Ehrari. An dieser Stelle verweist Yari auf die zentrale Rolle von Icons bei der „Arriving in Berlin App“: „Wir haben für jedes einzelne Themengebiet ein eigenes Icon entwickelt. Das ist sehr wichtig, um einen Wiedererkennungswert zu haben“. Ibrahim fügt hinzu: „Gerade auch für Menschen, die nicht lesen können.“

Und wie geht es nun weiter mit dem Projekt? Auf dem Tisch des Computerraums im Haus Leo liegt ein Stapel Sticker, auf denen für die App geworben wird. „Die sind frisch aus dem Druck“, freut sich Ralf. Die werden nun also erst einmal unter die Leute gebracht. Ansonsten geht das Projekt weiter wie bisher, das liegt schließlich in der Natur der Sache: „Das ist das Schöne am Mapping: Es ist nie fertig“, so Ehrari.

arriving-in-berlin.de