Dieselgipfel

Wer darf aufatmen? Beim Treffen in Berlin geht es den Autofirmen nicht um bessere Luft – sondern darum, Fahrverbote zu vermeiden

Dieselgipfel weicht seinen Kritikern aus

Proteste Rund ums Verkehrsministerium in Berlin versammeln sich am Mittwochmorgen die DemonstrantInnen. Greenpeace besetzt auch das Dach des Gebäudes. Das Treffen beginnt deswegen verspätet – und an einem anderen Ort

„Sie trauen sich nicht mal, an unserem Protest vorbeizufahren“

Gerd Lottsiepen, VCD

BERLIN taz | Um ihre Botschaften an die Teilnehmer des „Dieselgipfels“ loszuwerden, der am Mittwoch im Bundesverkehrsministerium stattfinden sollte, hatten die Umweltverbände ordentlich etwas aufgefahren. Greenpeace-AktivistInnen waren schon um fünf Uhr morgens aufs Dach des Gebäudes gestiegen. Von dort hatten sie ein riesiges Transparent an der Fassade herabgelassen: „Willkommen in Fort NOx“ war darauf zu lesen.

NOx ist das Kürzel für die giftigen Stickoxide, um die es beim Gipfel gehen sollte. „Diese Runde verteidigt den Diesel wie das Gold in Fort Knox“, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan in Anspielung an die legendäre Schatzkammer der Goldreserven in den Vereinigten Staaten.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die die Politik mit erfolgreichen Klagen gegen die überhöhten Stickoxidwerte überhaupt erst zum Handeln gezwungen hat, hatte ein riesiges aufblasbares Auto mitgebracht. Davor gab Geschäftsführer Jürgen Resch ein Interview nach dem anderen, in dem er Politikern und Industriellen vorwarf, sie versuchten „die Bürger weiter hinters Licht zu führen“.

Der alternative Verkehrsclub Deutschland (VCD) hatte ein Lastenfahrrad und viele Transparente dabei; der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) blockierte mit einer Fahrraddemo im Schneckentempo unter lautem Klingeln und mit Atemschutzmasken die Hauptzufahrt zum Gebäude. Die PolitikerInnen und Konzernchefs, die zum Dieselgipfel geladen waren, bekamen davon allerdings nichts zu sehen. Der Gipfel wurde nämlich kurzfristig ins Innenministerium verlegt – aus „Sicherheitsgründen“, wie es aus dem Verkehrsministerium hieß.

Sorge bereitet haben demnach vor allem die Greenpeace-Aktivisten, die auch am Vormittag noch auf dem Dach saßen und an der Fassade hingen; die Feuerwehr hatte es zuvor abgelehnt, die Kletterer zu entfernen: Es bestehe keine Gefahr.

Aktivisten hatten eine andere Erklärung für die Verlegung des Treffens: „Sie trauen sich nicht mal, an unserem Protest vorbeizufahren und ihr Gesicht zu zeigen“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. Die Verlegung des Tagungsorts passe ins Bild, „Politik in dunklen Hinterzimmern zu machen“, sagte Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe.

Umwelt- und Verbraucherverbände waren zum Gipfel, der von Verkehrs- und Umweltministerium gemeinsam veranstaltet wird, nicht eingeladen worden.

Inhaltlich steht eine breite Mehrheit der Bevölkerung hinter der Kritik der Umweltverbände: In einer unmittelbar vor dem Dieselgipfel veröffentlichten Umfrage der Welt kritisierten knapp drei Viertel der Befragten, dass mit den Autoherstellern bei der Luftverschmutzung zu viel Nachsicht geübt worden sei. Rund 80 Prozent befürworteten deshalb eine härtere Gangart der Politiker.

Bis der Gipfel mit rund einstündiger Verspätung im Innenministerium begann, war ein Teil der DemonstrantInnen mit ihren Transparenten ebenfalls dort eingetroffen.

Zu sehen bekamen die meisten Teilnehmer sie aber trotzdem nicht: Sie nutzten einen Hintereingang des Gebäudes und fuhren mit ihren Limousinen dabei teils auf Schleichwegen durch Grünanlagen.

Malte Kreutzfeldt