Premiere: Kanzler im taz-Interview

Kohl nie, Schröder nur als Ministerpräsident

5. 3. 1991: Merkel im taz-Interview, als Frauen- und Jugendministerin

Die Kanzler und die taz-Interviews – das ist immer eine verzwackte Sache gewesen. Helmut Kohl hatte sowieso nie die Absicht, dieser Zeitung ein Interview zu geben, die er nach eigenem Bekunden nie gelesen hat. Erst fünf Jahre nach seiner Abwahl, im September 2003, ließ sich Kohl vom damaligen Bild-Chefredakteur Kai Diekmann für die „Feindes-taz“ interviewen: Zum 25. Jubiläum hatte die taz politischen Gegnern ihre Seiten überlassen, Diekmann beschaffte zum Geburtstag das Kohl-Interview und titelte: „Heute gibt’s Kohl“.

Gerhard Schröders Verhältnis zur taz war anfangs mitunter eng. Im taz-Archiv findet sich ein Interview von 1983. Schröder war damals ehrgeiziger SPD-Bezirkschef von Hannover, in den Fragen wird er gleich mehrfach geduzt. („taz: Noch vor einem Dreivierteljahr hast du gesagt, 1986 noch nicht, sondern erst 1990 würdest du kandidieren. Wieso hast du deinen ‚persönlichen Zeitplan‘ geändert?“). In seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident waren taz-Interviews normal. Doch als Rot-Grün dann in Bonn regierte, war Schluss. In Schröders quotenorientierter Medienstrategie „Bild, BamS und Glotze“ passte die taz nicht rein. Immerhin einmal, 1999, moderierte Georg Blume, der damalige China-Korrespondent der taz, eine Diskussion mit Schröder und sechs chinesischen Intellektuellen.

Mit Angela Merkel ließ es sich eigentlich gut an. Im März 1991, kurz nachdem sie Bundesfrauen­ministerin geworden war, führte sie ein ganzseitiges Gespräch mit den taz-Redakteurinnen Helga Lukoschat und Tina Stadlmayer. „Neue Kohl-Dame aus dem Osten“, schrieb die taz über den Biokasten daneben. Es folgten weitere Interviews als Frauenministerin und eines als Umweltministerin kurz vor der UNO-Klimakonferenz 1995 in Berlin. Aber das war’s dann erst mal. Sie wurde CDU-Generalsekretärin, sie wurde Parteivorsitzende, sie wurde Fraktionschefin im Bundestag: bloß kein Termin mit der taz. Das galt auch ab Herbst 2005, als sie (taz: „Es ist ein Mädchen“) ins Kanzleramt einzog. Einmal äußerte sie sich in einem Gastbeitrag am 8. März 2011 in der taz. Zum 100. Frauentag hatte die Redaktion 100 Frauen gebeten, aufzuschreiben, was sie sich wünschen.

Bis Merkel sich auf ein Interview mit der taz einließ, mussten erst 17 Jahre als Parteivorsitzende und 12 Jahre als Bundeskanzlerin vergehen. Das Gespräch am vergangenen Donnerstag im Kanzleramt war also eine Premiere. Georg Löwisch