Reaktionen auf den Flüchtlingsgipfel: Scharfe Kritik aus Deutschland

Merkel will mehr legale Wege zur Migration aus Afrika nach Europa öffnen. Pro Asyl spricht von einem „Verrat an europäischen Werten“.

Macron weist Deby, Merkel und Gentiloni den Weg

Die Staatsoberhäupter lächeln über die Einigung – für Flüchtlinge ist das Ganze weniger erfreulich Foto: ap

BERLIN taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, mehr legale Einwanderungswege aus Afrika nach Europa schaffen zu wollen – aber Menschenrechtler, Flüchtlingsverbände und die Opposition sind nicht überzeugt: „Das ist die typische Methode Merkel: rhetorische Beruhigungspillen verteilen, aber unter der Hand Deals mit Autokraten eingehen, die ihre eigene Bevölkerung verfolgen“, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, am Dienstag der taz.

Linken-Chefin Katja Kipping sprach von „halbherzigen Gönnergesten“. Und die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sogar einen „Verrat an europäischen Werten“ vor. „Man kooperiert mit Verbrechern. Das muss man klar formulieren“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Dienstag der ARD.

Deutschland und weitere EU-Länder haben bei ihrem Flüchtlingsgipfel in Paris am Montag beschlossen, die sogenannte irreguläre Migration über das Mittelmeer einzudämmen. Asylverfahren sollen bereits in „Transitstaaten“ in Afrika durchgeführt werden. Zugleich stellte man die Aufnahme einer unbestimmten Zahl von Flüchtlingen aus Afrika in Aussicht. Merkel hält auch Kontingente für denkbar. Eine „bestimmte Anzahl von Menschen“ könnte so in Deutschland „studieren oder arbeiten“, so die Kanzlerin im taz-Interview.

Göring-Eckart geht das nicht weit genug: „Wenn es Frau Merkel ernst meint, dann hätte sie längst unserem Einwanderungsgesetz zustimmen können. Denn das sieht vor, es Menschen zu ermöglichen, bei uns zu studieren, eine berufliche Ausbildung zu beginnen oder direkt zu arbeiten.“ Jetzt aber dem Niger und dem Tschad „quasi als Lohn dafür, die Drecksarbeit bei der Flüchtlingsabwehr übernommen zu haben, einzelne Studententickets zu versprechen und bei Menschenrechtsverletzungen wegzuschauen ist keine Lösung, sondern schafft die Ursachen für die Fluchtbewegungen von morgen“ so die Grünen-Politikerin.

Pro Asyl sprach mit Blick auf den Gipfel in Paris von einer „Irreführung der Öffentlichkeit“. Eine Bereitschaft europäischer Länder, im Rahmen sogenannter Resettlement-Programme Flüchtlinge in nennenswerter Zahl aufzunehmen, sei „nicht in Sicht“. Diese ersetzten auch nicht das individuelle Recht auf Asyl, das durch die Beschlüsse von Paris ausgehebelt werde.

Günter Burkhardt, Pro Asyl

„In Haftlagern unter menschenunwürdigen Bedingungen kann es keine fairen Asylverfahren geben“

„In Haftlagern unter menschenunwürdigen Bedingungen kann es keine fairen Asylverfahren geben, in der Menschen ihre individuellen Fluchtgründe offenbaren“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt mit Blick auf die Zustände in Libyen. Das Auswärtige Amt habe selbst von Folter, Vergewaltigungen und Hinrichtungen dort gesprochen. Von „Schutzzonen“ könne man nicht reden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker bezeichnete Tschad und Libyen als „rechtsfreie Räume“.

Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte die Ergebnisse des Pariser Gipfels ebenfalls scharf. Die EU-Staaten betrieben eine „Militarisierung des Mittelmeers“, sagte sie. „Die Erste Welt soll weiter von der Dritten abgeschottet werden.“ Und: „Die Bundesregierung spielt da mit.“

Göring-Eckardt mahnte eine umfassendere Strategie an – nicht zuletzt für die Handelspolitik mit Afrika, die für die Not vielerorts mitverantwortlich ist: „Solange wir unsere hochsubventionierten Fleischreste gefroren nach Afrika exportieren, müssen wir uns nicht wundern, wenn sich ein Kleinbauer auf den Weg macht, der mit seiner Hühnerfarm keine Chance mehr hat.“

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