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Wurzeln statt Reis

Maniok Mit Chips zu Geld kommen – und zwar nicht mit Jetons wie im Roulette oder Poker, sondern mit welchen, die manessen kann: Maniok, auch als „Kartoffel der Tropen“ bezeichnet, trägt einen großen Teil dazu bei, Indonesien satt zu machen

Von Jana Janika Bach

„Eigentlich ist es die Idee der Bauern gewesen, die haben als Erste gesehen, dass der Reis nicht mehr wächst“, erklärt Anna Wolf von der Non-Profit-Organisation El Puente, die ihre Produkte als Importeur fair gehandelter Waren bei Handelspartnern vor Ort einkauft, um sie dann in Deutschland oder auch ganz Europa anzubieten. Neu im Sortiment bei El Puente sind die Bio-Maniok-Chips, „in sieben leckeren Sorten“, die sie von ihrem Handelspartner Profil Mitra Abadim (PMA) von der indonesischen Insel Java geliefert bekommt.

„Das Vieh der Reichen frisst das Brot der Armen“, titelte der Spiegel noch 1987 und zielte damit auf Maiskleber oder Maniokschnitzel (Tapioka). Längst ist dieses Image passé, Maniok gilt als reich an Vitaminen. Vor allem aber ist das Wolfsmilchgewächs, bekannt auch als Manioka, Brotwurzel oder Ka­sava, neben Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel Indonesiens. Maniok, auch als „Kartoffel der Tropen“ bezeichnet, trägt einen großen Teil dazu bei, den weltgrößten Inselstaat mit rund 255 Millionen Einwohnern satt zu machen. Die Chipsherstellung wird praktisch in jeder Familie traditionell betrieben, so Wolf. Neu ist jedoch die Idee, die Maniok-Chip-Produktion an moderne, anspruchsvolle Qualitätsstandards anzupassen und dann zu exportieren, um so einen weiteren Einnahmezweig für die Bauern vor Ort zu erschließen.

PMA, Entwicklungsagentur und Exporteur mit Sitz in Tangerang bei Jakarta, möchte den Zusammenschluss von Kleinbauerngemeinschaften erreichen und auch ein Bewusstsein der Unternehmer für das große Potenzial der Lebensmittelerzeugnisse Indonesiens schaffen.

So unterstützt sie Farmer bei der Umstellung auf biologischen Anbau und fairen Handel. Gemeinsam werden Methoden entwickelt, damit internationale Standards eingehalten werden. Das trägt zu einem Wohl der Landbevölkerung bei, aber ebenso ist es umweltverträglich und sorgt für Qualität der Ernten und deren Verarbeitung.

„Wir haben auch schon vorher mit PMA zusammengearbeitet“, erzählt Anna Wolf, zum Beispiel kauften sie Erdnüsse ab. Auch Chips gab es bereits im Sortiment bei El Puente, die sich seit den 70ern auf Produkte von Kleinbauernkooperativen, kleinen Familienbetrieben und lokalen Fairhandels-Organisationen konzentrieren. Man arbeitet mit über 100 Handelspartnern in 40 Ländern zusammen. Damals seien die Chips ein „schönes Zusatzprodukt“ gewesen, heute ist ein Um- und Weiterdenken zwingend erforderlich geworden. Denn Indonesien ist stark vom Klimawandel betroffen.

Nach sehr langen Trockenperioden fehlt oft das Wasser, das hauptsächlich in den Großstädten verschlungen wird, um den „durstigen“ Reis nach Anbau auch ernten zu können. „Es reicht vielleicht noch für den Eigenbedarf der Bauern“, so Anna Wolf von El Puente, aber ein Überschuss werde kaum produziert. Ohne einen Weiterverkauf sind die Existenzen der Bauern und ihrer Familien bedroht.

Auch das indonesische Bewässerungssystem ist veraltet, nur wenig Wasser gelangt überhaupt auf die Felder. Durch starke Winde sind die Böden von Erosion bedroht. Die Maniok-Pflanze ist da eine gute Alternative. „Sie braucht nicht so viel“, fasst Wolf zusammen. Tatsächlich ist die Pflanze anspruchslos, weder wasser- noch pflegeintensiv. Maniok statt Reis, das funktioniert bei den indonesischen Kleinbauern sogar nach dem Phoenix-aus-der-Asche-Prinzip: Da die ehemals als Reisfelder genutzten Flächen jahrelang brachlagen, sind sie biofähig.

Drei Generationen leben auf dem Hof. Komang Tri Budastra ist einer der sieben Bauern, die in Kooperation mit PMA und El Puente nun neben Gemüse für die Familie auch Maniok zur Chip-Weiterverarbeitung anbauen.

Eine Initiative, die es ihm ermögliche, seinen Sohn endlich in die Schule zu schicken, sagt Tri Budastra. So hart die Arbeit in der Hitze nur wenige Grad südlich des Äquators auch sein mag, dafür lohne sie sich.

Zur Verarbeitung werden die stärkereichen, bis zu acht Zentimeter dicken und 90 Zentimeter langen Wurzelknollen genutzt.

Nach neun Monaten können die Maniokstauden geerntet werden, sie wiegen dann rund acht bis zehn Kilo. Da das Gewächs noch am selben Tag seiner Anlieferung verarbeitet werden muss, sonst wird es unbrauchbar, stehen die sieben Bauern mit der Fabrik UD Ariesta auf Bali in engstem Kontakt. Hier wird der Maniok weiterverwertet und frittiert. „Die komplette Verarbeitungskette muss gelingen“, so der Inhaber Agus Herri Ariesta, „das ist die Herausforderung.“

Für das Frittieren der Bio-Chips wird Kokosnussöl anstatt Palmöl verwendet, für dessen Produktion großflächig Regenwald in Indonesien gerodet wird. Die Kokosnusspalmen werden überwiegend in Mischkulturen angebaut, was ebenfalls nachhaltiger ist. Ariesta, eigentlich Tiermediziner, bewirtschaftet eine kleine Landparzelle und setzt sich schon lange für den Umweltschutz ein. Auch beliefert der 40-Jährige die immer größer werdende Community auf Bali, die sich gesund und vegetarisch ernähren möchte. Als El Puente mit der Idee der Bio-Chips an ihn herantrat, war er sofort Feuer und Flamme.

Derzeit arbeite er nur mit eben den sieben Produzenten zusammen, sagt Ariesta, „aber das Projekt ist ja gerade erst angelaufen“. Er könnte sich für die Zukunft vorstellen, die Anbaufläche für Maniok auf 200 Hektar auszudehnen, auch wünscht er sich, dass die kleine Kooperative der Bauern zu einem größeren Zusammenschluss anwächst.

Noch ist man weit weg von einer flächendeckenden Umstellung, sagt auch Anna Wolf. Doch der Anfang ist gemacht, und das Modell birgt das Potenzial, Zukunft zu schreiben.