heute in Bremen
: „Strukturell ausgeschlossen“

Behinderung Vortrag und Diskussion mit Rolf Kohn (Die Linke) über das Bundesteilhabegesetz

Florian Grams

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Jahrgang 1974, ist Sprecher für Behindertenpolitik bei den Bremer Linken.

taz: Herr Grams, mit welchen Problemen haben Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben zu kämpfen?

Florian Grams: Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung ist doppelt so hoch wie von Menschen ohne Behinderung. Das liegt daran, dass Behinderte vom Arbeitsmarkt strukturell ausgeschlossen werden. Es ist für sie schwer, eine Stelle zu finden, da viele Unternehmen nicht barrierefrei sind oder ihnen die Einstellung von Behinderten zu kompliziert ist. Darum entrichten sie lieber die vorgeschriebene Ausgleichsabgabe und müssen dafür keine Behinderten beschäftigen.

Was muss sich ändern, damit Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können?

Unternehmen sollten verpflichtet werden, barrierefrei zu bauen. Laut Bremer Baurecht ist dies bei öffentlichen Gebäuden bereits der Fall, aber die Privatwirtschaft ist weiterhin davon ausgenommen. Auch die Ausgleichsabgaben für Unternehmen sollten deutlich erhöht werden, sodass es teurer wird, sich den gesetzlichen Verpflichtungen zu entziehen. Es ist auch wichtig, dass das Wahlrecht für Behinderte mit einer gesetzlichen Vertretung in allen Lebensbereichen eingeführt wird – auch das gehört zur vollen Teilhabe!

Bietet das Bundesteilhabegesetz sinnvolle Maßnahmen für Ihre Vorschläge?

Jein. In diesem Gesetz werden zum Beispiel Teilhabeleistungen, die den Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen, eingerichtet. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung! Aber andere Maßnahmen, wie das kostengünstigere „Poolen“ von benötigten Assistenzleistungen an einen bestimmten Ort, schränken die Möglichkeiten zur freien Wohnorts- und Arbeitswahl wieder enorm ein.

Was erwarten Sie von der Diskussion?

Nach dem Vortrag von Rolf Kohn, unserem Experten für die Behindertenpolitik von der Berliner Linken, wird dem Publikum die Möglichkeit für Nachfragen gegeben. Da bei solchen Veranstaltungen erfahrungsgemäß viele Menschen mit Behinderung im Publikum sitzen, werden diese bestimmt auch von ihren eigenen Erfahrungen erzählen. Daraus erhoffen wir uns eine lebhafte und interessante Diskussion!

Interview Paulina Hemesath

18 Uhr, DGB-Haus, Bahnhofsplatz 22–28