Das Ding, das kommt
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Mehr als 50 Beamer werfen bei der Lichtsicht-Biennale in Bad Rothenfelde bei Osnabrück Videokunst an die Gradierwerke. Wohl zum letzten Mal

Funkelzauber-Künstler

Er zieht Energie, läuft richtig heiß, bündelt strudelig erregte Materie zu einem Lichtstrahl, der Bilder in sich aufsaugt und durch den Raum transportiert, bis er auf einen Widerstand stößt und das Lichtgepäck ablädt, auf dass es flimmernd lebendig wird.

Bildende Kunst per Simulation in einen Raum absorbieren, der einzig kraft seiner Effekte vorhanden ist – das ist der Job des kunstgeschichtlich nie richtig gewürdigten Beamers. Eine rühmliche Ausnahme bildet Bad Rothenfelde. Dort wird dem Bilderwerfer zum sechsten Mal das „Lichtsicht“-Festival gewidmet und ein Best-of der bisher gezeigten, zwischen Foto, Film, Video und digitaler Malerei angesiedelten Werke in den Solekurpark projiziert. Mehr als 50 Beamer trotzen bis Ende Januar Regen, Herbststürmen, Schnee, Frost und zwölf Prozent Salz in der Luft.

Ur-Beamer ist die Sonne, philosophisches Gärmittel das Höhlengleichnis des Platon. Schon in der Antike stellten Maler zwischen Lichtquelle und Leinwand die Musen ihres Kunstwerks, etwa den Körper der Freundin, dessen aparter Schatten dann ab-, aus- und ummalt werden konnte. Im 13. Jahrhundert, so die „Lichtsicht“-Kuratoren, gab es bereits eine Camera obscura, die „großformatige bewegte Szenarien in den Außenraum“ beamen konnte. Mithilfe von immer besseren Objektiven waren immer opulentere Schaueffekte möglich. Bis der Beamer versklavt wurde und in industrialisierter Fließbandarbeit Dia-Vorträge und Kinofilme zu präsentieren hatte.

Aber das genuin künstlerische Potenzial der Lichtzauberei lag nicht brach. In den 1920er-Jahren bastelte László Moholy-Nagy an seinem „Licht-Raum-Modulator“, später erweiterte John Cage das Hörerlebnis seiner Musik mit Projektionen. In Bad Rothenfelde nun sind Videos auf geflochtenen Schwarzdornzweigen zu sehen, an denen Salzwasser herabrieselt und auskristallisiert – reflektiert werden die gebeamten Bilder im Salznebelschleier mit irisierendem Funkelzauber.

Seit 2007 wird „Lichtsicht“ fast ausschließlich vom örtlich ansässigen Heristo-Seniorchef Heinrich Risken mit einer „Anschubfinanzierung“ realisiert. Nun zieht er sich zurück. Gemeinde, Landkreis, Land, Bund und Sponsoren sollen das europaweit beachtete Spektakel übernehmen. Allerdings gab es bislang keine Zusagen, war auf der Pressekonferenz zu erfahren. Ein Ding, das wohl zum letzten Mal kommt. Jens Fischer

Lichtsicht: bis 28. 1. 2018, Gradierwerke Bad Rothenfelde