Alle sollen ran

Die belgische Bevölkerung kann sich ab heute online zur künftigen Energieversorgung des Landes äußern. Und dann?

Von Tobias Müller

Wie soll die zukünftige Energiepolitik Belgiens aussehen? Ab dem heutigen Montag können die belgischen Bürgerinnen und Bürger drei Wochen lang ihre Meinung dazu kundtun – in einer Online-Umfrage, die vom Wirtschaftsministerium sowie den föderalen und regionalen Energieministern erstellt wurde. Gefragt wird laut der Tageszeitung De Standaard etwa, ob die Atomkraftwerke des Landes abgeschaltet werden sollen, und nach der Bereitschaft, für erneuerbare Energie zu bezahlen.

Die Ergebnisse, die gegen Mitte November vorliegen sollen, dienen als Referenz für einen detaillierten Plan zur belgischen Energiepolitik in den kommenden Jahrzehnten. Ende des Jahres soll dieser vorliegen. Zuvor wurden bereits Akteure aus der Industrie, von Energielieferanten, Umweltorganisationen und Konsumentenverbänden befragt. Die Volksbefragung hat ausdrücklich rein beratenden Charakter. „Die Energiewende gelingt nur, wenn alle in die Sache eingebunden werden“, zitieren belgische Medien Bart Tommelein, den Energieminister der Region Flandern. „Darum wollen wir hören, was die Bürger über die zukünftige Energiepolitik denken.“

Wie immer, wenn in Belgien über dieses Thema diskutiert wird, steht dabei eine Frage im Mittelpunkt: Was wird aus den beiden Atomkraftwerken in Doel bei Antwerpen und Tihange bei Liège? Eigentlich ist ein Atomaustieg seit 2003 bereits beschlossene Sache in Belgien. 2015 sollten die ersten Reaktoren ursprünglich vom Netz genommen werden. Statt jedoch ausreichende Investitionen in nachhaltige Energien zu tätigen, verlängerte man 2007 dann aber die Restlaufzeiten. Umstritten ist dies umso mehr, weil die Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 jeweils Tausende sogenannte Haarrisse im Reaktorbehälter aufweisen. In beiden Atomkraftwerken kam es zudem auch in anderen Reaktoren mehrfach zu Pannen.

Offiziell gilt noch immer, dass in Belgien 2025 das postnukleare Zeitalter anbrechen soll. Gerade während teils langfristiger Reaktorausfälle wurde in den letzten Jahren allerdings Angst vor einer Energieunterversorgung geschürt. Eine Konstellation, die auch im Hinblick auf die Bevölkerungsbefragung von Belang ist. Verschiedene Politiker mahnen deshalb an, die Umfrage müsse zunächst einmal ausreichend Informationen liefern.

Der sozialdemokratische Senator Rob Beenders rief auf, die zuständigen Minister dürften „diese Umfrage nicht als Entschuldigung nehmen, um den Atomausstieg erneut infrage zu stellen“. Kristof Calvo, der Vorsitzende der Grünenfraktion im Parlament, twitterte, er halte es für zynisch, im Jahr 2017 noch eine „Enquete über den Atomausstieg zu organisieren“.