Performance zu Leihmutterschaft: Medizin oder Unterwerfung?

In den Sophiensälen zeigte des Kollektiv Flinn Works eine Performance zur transnationalen Leihmutterschaft. Übrig bleiben offene Fragen.

Eine Frau steht vor einer Stellwand mit der Hand zum Hals geneigt

Die Performance „Global Belly“ stellt den Begriff der Mutterschaft zur Disposition Foto: Flinn Works

„Hast du eine Frau kennengelernt?“, fragt die Mama, die es nicht erwarten kann, den Anlass des Abends zu erfahren. „Nein – also ja“, antwortet der Mann mit lockigem Haar, verunsichert, wie er die Nachricht an seine fünf Gäste, die ihn erwartungsvoll mit einem Martiniglas in der Hand anblicken, überbringen soll: „Sie ist eine Leihmutter. Sie ist im vierten Monat schwanger von uns. Wir erwarten ein Kind.“

Eine Nachricht mit Diskussionspotenzial – die festliche Stimmung verfliegt. Stattdessen entsteht ein unsicheres Zögern, wie man auf die Nachricht reagieren soll. Ein bisschen mehr Freude über die Nachricht hätte sich das schwule Paar gewünscht. Endlich unterbricht der Signalton eines Skype-Anrufs die unangenehme Situation am Familientisch.

Die Szene stammt aus der Performance „Global Belly“, die in den Sophiensælen Premiere hatte. Weitere Auftritte sind in Kassel, Amsterdam und Aarau in der Schweiz geplant. In szenischen Themenblöcken wird das Publikum durch das Thema „transnationale Leihmutterschaft“ geführt.

Bei der einstündigen Performance lernen die Zuschauer_innen eine Ärztin kennen, die den Leihmüttern die Ergebnisse ihrer Schwangerschaftstests mitteilt. Sie treffen eine junge Leihmutter aus den USA, die in der Leihmutterschaft ihre Leidenschaft entdeckt hat, und durchlaufen den Prozess der Anerkennung der Elternschaft in der deutschen Botschaft in der Ukraine.

Die Protagonist_innen sind Schauspieler_innen. Doch auch die Besucher_innen erhalten ihre Rolle in den Konversationen, als Angehörige oder selbst Beteiligte. So rückt das Thema der Leihmutterschaft mit seinen vielfältigen Facetten unangenehm nahe. Die Besucherin muss reagieren, sich positionieren, und zwar nicht zu einem abstrakten Phänomen, sondern einer Entscheidung eines Bekannten, einer Freundin oder einem Familienangehörigen.

Ein Jahr hat das Theaterkollektiv Flinn Works das Thema Leihmutterschaft recherchiert. Die Idee sei bei Aufenthalten zwischen dem indischen Bangalore und Berlin entstanden, erklärt Sophia Stepf, künstlerische Leiterin von Flinn Works. „Leihmutterschaft stellt in Indien einen boomenden Markt dar.“ In Deutschland werde das Thema tabuisiert, obwohl schätzungsweise 6.000 bis 10.000 Kinder hier aufwachsen, die von einer Leihmutter auf die Welt gebracht wurden.

Die Teammitglieder von Flinn Works seien daraufhin losgezogen, nach Indien, Ukraine und die USA. Sie interviewten Wunscheltern und Leihmütter, lasen Doktorarbeiten und fuhren zu wissenschaftlichen Konferenzen. Schnell sei klar gewesen, dass das Thema viele Perspektiven hat. „Es ist so komplex – es gibt nicht nur eine Wahrheit.“

„Global Belly“ zeichnet diese Perspektiven nach. Es konfrontiert die Besucher_innen nicht nur mit feministischen Debatten zwischen Liberalismus und Materialismus. Es stellt auch den Begriff der Mutterschaft in Vergangenheit und Zukunft zur Disposition. Übrig bleiben offene Fragen: Ist Mutterschaft Arbeit oder Nächstenliebe? Und wie fügt sich transnationale Leihmutterschaft in ein postkoloniales Wirtschaftssystem ein?

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