Katrin Seddig
Fremd und befremdlich
: Die Intellektuellen müssten sichjetzt endlich mal gegen die Rechten engagieren

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Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Das Dorf“ ist kürzlich bei Rowohlt Berlin erschienen.

Gerade komme ich aus Frankfurt, wo die Buchmesse war, und das ist auch das, was mich momentan beschäftigt. Die rechte Verlagsszene und die Auseinandersetzungen, die es dort gegeben hat. Ich dachte gleich, die Entscheidung, linke Verlage um rechte Verlage herum zu platzieren, ist nicht gut. Ich hätte die rechten Verlage neben den großen Publikumsverlagen platziert. Dort hätte es den Ärger geben sollen. Dort hätte man sich positionieren müssen.

Wenn ich in meinem Leben auf eine Demo gegangen bin, gegen einen Aufmarsch der NPD zum Beispiel, dann war da immer die Antifa. Dann sagten die Leute in meinem Umfeld auch immer gleich spöttisch: „Wo ist denn die Antifa, die gute alte Antifa?“ Es gibt eine Distanzierung, im intellektuellen Umfeld, von radikaleren, politischen Organisationsstrukturen. Man will nicht dogmatisch sein, sich nicht gern einordnen, sich nicht an der Organisation von irgendwas beteiligen, was nach Klassenfahrt aussieht, nach Versammlungsplatz. Man ist individuell, auch politisch, einzigartig.

Ich kenne das, also diese Attitüde, allerdings auch von mir. Andererseits möchte man schon etwas gegen die Rechten tun, aber nicht mit den ‚Chaoten‘. Man wälzt politisches Engagement, müde lächelnd, ab, auf die, die das sowieso als ihre Tagesaufgabe begreifen, denen das „Spaß macht“. In diesem Falle auf die „linken Verlage“, was immer das auch heißen soll. Ich meine aber, es wäre jetzt endlich mal notwendig, dass die Mitte sich engagiert, die Masse.

Es entsteht sonst eine verquere Vorstellung von den komischen Linken und den komischen Rechten, die sich irgendwie immer schlagen müssen, auch wenn man tendenziell die Rechten natürlich ablehnt. Es ist nicht möglich, sich politisch zu positionieren, angesichts dieser bedrohlichen Entwicklung, ohne solidarisch zu handeln mit denen, die sich bereits engagieren, die den Kopf schon lange hinhalten.

In Niedersachsen ist gewählt worden, nicht mehr überraschend, oder vielleicht ist das Undramatische des Wahlausgangs das Überraschende gewesen. In meinem Umfeld zeigen sich Menschen erfreut über den Wahlausgang. Die SPD ist stärkste Partei, die CDU ist eine starke Partei, die Grünen sind noch ein bisschen dabei, die AfD hat zwar auch 6,2 Prozent bekommen, aber das ist immerhin nur die Hälfte vom dem, was sie bei der Bundestagswahl bekamen. Das gute, alte Niedersachsen, das lässt sich nicht beirren.

Manche posteten auf Facebook Zeilen des Niedersachsenliedes. Nach dem Ende der DDR hatte ich einen Freund aus Lüneburg. Ich hatte ein Interesse an allem, was die Bundesrepublik betraf, und er erzählte mir was über Niedersachsen. Er sang mir das Niedersachsenlied vor, er konnte es auswendig, sein Bruder konnte es auch auswendig. Ich nehme an, sie hatten es in der Schule gelernt. Ich dachte, angesichts des Textes, sie würden mich auf den Arm nehmen, aber sie lachten, und mein Freund sagte: „Das ist wirklich das Niedersachsenlied, so geht das. Niedersachsen gab es eigentlich gar nicht. Das haben sich die Amerikaner erst ausgedacht, deshalb kann das auch gar nicht nationalsozialistisch sein.“

Auch das Fehlerhafte ist insgesamt richtiger als das Sich-Raushalten

Was versprechen sich nun die Niedersachsen aktuell von der SPD? Von Stephan Weil? Hat ihnen die Bundestagswahl ein bisschen Angst gemacht? Ist das jetzt eine Art von zahmem Widerstand, gegen die rechte Strömung in diesem Land? Die Wahl ist ein kleiner, aber schwieriger Akt demokratischen Engagements, man entscheidet sich meistens für einen Kompromiss.

Wenn man sich gegen menschenverachtende, rechte Organisationen, Aktionen, Texte engagiert, dann trifft man ähnliche Entscheidungen. Man sagt vielleicht nicht ganz das Richtige, man geht vielleicht mit Menschen, die etwas abweichende Ziele vertreten, man kann sich einem Haufen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen – so ist das mit politischem Engagement. Aber all das, auch das Fehlerhafte, ist insgesamt richtiger als das Sich-Raushalten.