Energiepolitik in Berlin: Wenn Kohle mehr Kohle kostet

Eine anstehende Verschärfung der Schadstoff-Grenzwerte für Kraftwerke könnte Berlins Steinkohle-Ära bald beenden.

Das Kohlekraftwerk Rummelsburg Foto: dpa

Der Winter steht vor der Tür. Jahrzehntelang war das in Berlin ein Garant für toxische Luft – abertausende Kohleöfen verräucherten die Stadt. Das ist Geschichte, genau wie die Verstromung von Braunkohle, seit im Mai das Kraftwerk Klingenberg den Betrieb einstellte. Trotzdem wird immer noch (Stein-)Kohle in rauen Mengen an der Spree verbrannt: in den Heizkraftwerken Reuter, Reuter West und Moabit sowie im Fernheizwerk Neukölln.

Nach der Novelle des Berliner Energiewende-Gesetzes, die das Abgeordnetenhaus heute beschließt, geht Berlins Steinkohle-Ära spätestens 2030 zu Ende. Bislang befürchteten UmweltaktivistInnen, das könne ein leerer Wunsch bleiben – denn nicht das Land betreibt die Kraftwerke, sondern der Energiekonzern Vattenfall, dem man den Ausstieg nicht einfach vorschreiben kann.

Ausstieg beschleunigt

Nun könnte es aber doch schneller gehen mit dem Abschied vom schwarzen Stoff: Diese Hoffnung haben die Grünen-Abgeordneten Stefan Taschner und Georg Kössler. Sie gründet sich auf die Antwort des Senats auf eine Anfrage, die der taz vorliegt. Daraus geht hervor, dass die Kohlekraftwerke schon in wenigen Jahren nicht mehr den Grenzwerten für Schadstoffe genügen könnten. Lösen ließe sich das durch eine teure Nachrüstung mit Filtern – oder den vorzeitigen Umstieg auf alternative Energieträger.

Energie Vor anderthalb Jahren beschloss das Abgeordnetenhaus das Berliner Energiewendegesetz. Es soll den Beitrag des Landes zu dem internationalen Ziel leisten, den Durchschnittstemperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Der CO2-Ausstoß in Berlin soll bis 2050 auf maximal 15 Prozent der 1990 emittierten Menge sinken.

Druck Die Novelle, die Rot-Rot-Grün heute im Parlament verabschieden will, schreibt den Ausstieg aus der Kohleverfeuerung zur Erzeugung von Strom und Fernwärme bis 2030 vor – „spätestens“. Das Wörtchen hatten die UmweltpolitikerInnen der Fraktionen auf massiven Druck von Klima-AktivistInnen hin nachträglich eingefügt. (clp)

Wie viel Feinstaub, Schwefel- und Stickstoffoxide in den Abgasen von Kraftwerken enthalten sein dürfen, regelt die 13. Bundesimmissionschutzverordnung (BImSchV). Die muss bis Mitte 2018 an die teils strengeren Anforderungen eines Beschlusses der EU-Kommission vom 31. Juli angepasst werden. Erfüllt werden müssen diese Anforderungen spätestens 2021. Allerdings legt der EU-Beschluss keine exakten Grenzwerte fest, er definiert nur Grenzwerte-Bandbreiten. Wie streng die Mitgliedstaaten diese auslegen, ist ihre Sache.

Emissionswerte nicht eingehalten

„Die Mindest-Emissionsgrenzwerte innerhalb der Bandbreiten werden zurzeit von keinem Berliner Kohlekraftwerk eingehalten“, schreibt der Senat. „Sollten bei Umsetzung in deutsches Recht diese Mindestwerte der angegebenen Bandbreiten verbindlich werden, hätte dies enorme Auswirkungen.“ Dann müssten neue Rauchgasreinigungsanlagen her – oder Anlagen ganz oder teilweise stillgelegt werden.

All das natürlich nur, wenn der Bundestag sich bei der Neufassung der BimSchV tatsächlich an den unteren Grenzwerten orientiert. Das hängt von den anstehenden Koalitionsverhandlungen und der Kräfteverteilung in der künftigen Bundesregierung ab.

„Wir hoffen, dass das eine neue Dynamik in die Debatte bringt“, so Stefan Taschner zur taz. „Zu befürchten ist nur, dass Vattenfall die Hintertür einer Ausnahmegenehmigung nehmen will.“ Wenn der Konzern den Kohleausstieg bis 2030 verspreche, könnte das dazu führen, dass er von der kostspieligen Nachrüstung befreit werde.

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