USA: Von Lenin lernen heißt siegen lernen

„Was tun?“ ganz anders: Ultrarechte schätzen den Revolutionär als Techniker der Machteroberung

„Lenins Ziele waren das Gegenteil von unseren. Aber von Lenins Strategie können wir viel lernen“

Murray Rothbard

Von Ulrike Herrmann, Berlin

Lenin hat nicht nur linke Revolutionäre inspiriert – sondern auch rechte. Breitbart-Chef Steve Bannon, früherer Chefstratege von US-Präsident Donald Trump, soll einmal gesagt haben, er sei „Leninist“. Denn, so zumindest sah es Bannon, „Lenin wollte den Staat zerstören“. Dieses Ziel begeisterte den rechten Propagandisten: „Auch ich möchte alles zum Einsturz bringen und das gesamte heutige Establishment vernichten.“

Bannon hat später dementiert, dass er sich auf Lenin berufen hat. Aber Fakt bleibt, dass die amerikanische Ultrarechte bis heute von dem Russen fasziniert ist. Denn Lenin hat nicht nur eine Revolution geplant und durchgeführt – er war ausgerechnet in Russland erfolgreich, das für einen Umsturz komplett ungeeignet schien. Die Bolschewiki waren eine Minderheit und übernahmen dennoch die Macht.

Dieses strategische Meisterwerk inspiriert die amerikanische Ultrarechte, die sich ebenfalls lange als machtlose Minderheit empfand. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg häuften sich die Niederlagen: Die Bürgerrechtsbewegung setzte mehr Gleichheit für die Afroamerikaner durch, der Wohlfahrtsstaat wurde ausgebaut, die Steuern für Reiche stiegen.

Um diese rechte Misere zu beenden, verfasste der US-Ökonom Murray Rothbard 1961 eine „vertrauliche Denkschrift“ für den libertären Volker Fund. Schon der Titel bediente sich beim Vorbild: „Was tun?“, hieß Murrays Text, genau wie Lenins Hauptwerk.

Murray teilte seinen Lesern mit, „dass wir eine Menge von Lenin und den Leninisten lernen können“. Wie einst die Bolschewiki sollten auch die Rechten einen „Kader“ schmieden, der dann die Massen „infiltriert“. Wie Lenin sollte man die „totale“ Revolution niemals aus den Augen verlieren, während man gleichzeitig vorübergehende Zweckbündnisse eingeht, um die eigenen Anliegen zu befördern. „Volksfront“ nannte Murray diese Strategie.

Um seine rechten Leser nicht zu beunruhigen, betonte Murray: „Lenins Ziele waren das Gegenteil von unseren.“ Aber von „Lenins Strategie können wir viel lernen“, schrieb er.

Um die Libertären mit dem erwünschten „Kader“ zu versorgen, kooperierte Murray mit dem Multimilliardär Charles Koch. Gemeinsam gründeten sie 1977 das Cato Institute in San Francisco, das längst zu einer der einflussreichsten US-Denkfabriken aufgestiegen ist.

Das Cato-Institut war nur der Anfang: Das libertäre Koch-Imperium ist zu einem „Kochtopus“ herangewachsen, wie es seine Gegner nennen. Wie eine Krake mit zahllosen Tentakeln infiltriert es inzwischen die US-Gesellschaft. Die Koch-Brüder sponsern immer neue Denkfabriken, Zeitschriften, Professuren und Tea-Party-Politiker. Mit Erfolg. Die Mehrheit der US-Amerikaner entschied sich bei der letzten Wahl für Donald Trump, der die „Tyrannei des Staates“ beenden will.

Auch Charles Koch ist bekennender Lenin-Fan: Der Russe sei einer jener Denker gewesen, die „immensen Eindruck auf mich machten“.