Kinderbetreuung in Hamburg: Kita-Streit eskaliert

Die Volksinitiative für mehr Personal in Kitas startet am Mittwoch. SPD und Grüne drohen mit dem Verfassungsgericht und die Linke will Senat verklagen, weil er Daten zurückhält

Neuer Konflikt steht vor de Tür: Initiative fordert mehr Betreuer*Innen für Kinder Foto: Christian Charius/dpa

In Hamburg steht ein neuer Konflikt um die Kinderbetreuung an. Am Mittwoch wird das Kita-Netzwerk im Rathaus die Volksinitiative „Mehr Hände für Hamburgs Kitas“ einreichen. „Wir gehen diesen Schritt, weil wir anders nicht weiterkommen“, sagte Netzwerk-Sprecherin Marina Jachenholz. Gespräche mit Vertretern von Grünen und SPD hätten zu keiner Verständigung geführt.

Mit dieser Volksinitiative eskaliert ein Streit, der 2005 ausbrach, als Hamburg begann, die Kinderbetreuung über ein Gutschein-System zu finanzieren. Vereinfacht gesagt bekommt eine Kita seitdem nur so viel Erzieherstunden bezahlt, wie ein Kind auch betreut wird. Vor- und Nachbereitung der Erzieherin, Zeit für Elterngespräche oder Vertretung für Krankheitsausfall sind nicht mitberechnet. „Früher gab es noch Springerkräfte, die haben wir nicht mehr“, sagt Jachenholz, die Betriebsrätin bei der städtischen Elbkinder-Vereinigung ist.

Die Volksinitiative „Mehr Hände für Hamburgs Kitas“ fordert eine über zehn Jahre gestreckte Verbesserung bis 2028. In dieser Zeit soll zunächst bis 2021 der Schlüssel in der Krippe (null bis drei Jahre) so verbessert werden, dass ein Erzieher für vier Kleinkinder da ist. Im Kindergarten (drei bis sechs Jahre) soll ein Erzieher für zehn Kinder da sein. Beides Forderungen, die auch der Senat vertritt. Doch obendrauf soll es einen Aufschlag von 25 Prozent geben für besagte Ausfallzeiten und „Zeiten, die man haben muss, um ohne Kinder Sachen vorzubereiten“, wie Jachenholz erklärt. Und damit die Politik sich auch dran hält, soll dies im Kinderbetreuungsgesetz (Kibeg) verankert werden.

Doch dazu sind SPD und Grüne nicht bereit. Die Relation von eins zu vier im Krippenbereich bis 2021 sei „mit größter Kraftanstrengung durchfinanziert“, erklärten die Fraktions-Chefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) der taz. „Das können wir gerne als Absicherung im Kibeg festschreiben, das haben wir der Volksinitiative auch angeboten.“ Alles Weitere aber hänge von künftiger Unterstützung des Bundes ab, und sei für Hamburg allein nicht zu leisten. Auch fehlten schlicht die Erzieher dafür, „auch wenn wir die Ausbildung maximal aufgestockt haben“, sagten Dressel und Tjarks.

Die beiden sonst als Friedenstifter bekannten Fraktionschefs drohen nun recht offen: „Sollte die Volksinitiative nicht beidrehen, wird eine Überprüfung durch das Verfassungsgericht unvermeidlich sein.“

Das Kita-Netzwerk will es trotzdem wagen. In einem halben Jahr sind 10.000 Unterschriften nötig, um die nächste Stufe des Volksbegehrens zu schaffen. Käme es zur dritten Stufe, würde der Volksentscheids parallel zur Bürgerschaftswahl 2019 in Hamburg stattfinden. Die Initiative argumentiert, die Stadt habe genug Geld und seit Jahren Verbesserungen eingeführt, etwa die Kostenfreiheit für Eltern, aber nie an die Beschäftigten gedacht. „So beißt sich die Katze in den Schwanz“, sagt Jachenholz. „Sind die Bedingungen schlecht, findet sich auch nicht genug Personal.“

Unterdessen bekam die Linke, die die Initiative unterstützt, durch eine Anfrage heraus, dass in Hamburg zwei von drei Erziehern Teilzeit arbeiten, einer der höchsten Werte bundesweit. Der Familienpolitiker Mehmet Yildiz hält dies auch für eine Folge des Gutscheinsystems. Böte man Mitarbeitern an, von 25 auf 30 Stunden aufzustocken, wäre viel Personal gewonnen. Seine Kollegin Sabine Boeddinghaus schlägt zudem ein „faires Ausbildungsgehalt“ vor, damit weniger Erzieherschüler abbrechen.

Marina Jachenholz, Kita-Netzwerk

“Wir gehen diesen Schritt, weil wir anders nicht weiterkommen“

Keine Antwort bekam die Linke auf die Frage, wie viele Beschäftigte bei den stadteigenen Elbkinder-Kitas nur befristet oder gar „sachgrundlos befristet“ arbeiten. Laut einer älteren Anfrage betraf dies 2015 über 400 Personen. Nun gilt es als Geschäftsgeheimnis. Dagegen will die Linke klagen.

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