Klimawandel vor dem Klimagipfel: Immer Meer

Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel weltweit schneller steigen als gedacht. Welche Regionen sehr stark betroffen sind, zeigen aktuelle Daten.

Ein Mann sitzt am Strand

Fidschi: Da wird er bald nicht mehr sitzen können – da ist dann Wasser Foto: dpa

BERLIN taz | Bisher wurde viel über sie geredet, jetzt leiten sie die Diskussion: Mit dem Inselstaat Fidschi stellt zum ersten Mal ein kleiner Inselstaat den Präsidenten bei einer UN-Klimakonferenz, deren neueste Auflage am Montag in Bonn beginnt. Damit rücken die Menschen in den Mittelpunkt, die bereits jetzt deutlich vom Klimawandel betroffen sind – vor allem vom steigenden Meeresspiegel.

Fidschi will auf der Konferenz einen Plan vorstellen, wie der Staat die Umsiedlung seiner Bewohner plant. Nach einer Vorkonferenz in seinem Land sagte Premierminister Frank Bainimarama im Oktober zu seinen Gästen: „Seit Sie auf Fidschi waren, werden viele von Ihnen nun besser verstehen, was hier passiert und wie verwundbar wir sind.“

Dafür muss man nicht in die Südsee reisen. Ein Blick auf die Pegelstände der Weltmeere zeigt, wie der Meeresspiegel fast überall steigt. Eine Fülle von Daten aus Satellitenmessungen und historischen Aufzeichnungen lässt erkennen, dass sich momentan die Weltmeere im Durchschnitt um etwa drei Millimeter im Jahr heben. In den letzten 20 Jahren ist dieser Prozess doppelt so schnell abgelaufen wie vorher.

Die Gründe: Aus schmelzenden Gletschern weltweit gelangt mehr Wasser ins Meer. Vor allem aber dehnen sich immer wärmere Ozeane immer weiter aus. Betroffen sind Hunderte Millionen Menschen, die an den Küsten wohnen; manche Orte sind verwundbarer als andere, manche Länder können sich gegen die Fluten schützen, andere weniger. Und höhere und wärmere Meere tragen dazu bei, dass stärkere Stürme entstehen und Sturmfluten drastischer ausfallen.

Wie sich die Pegel über die letzten Jahrzehnte entwickelt haben, zeigt ein Datensatz der britischen Behörde Permanent Service of Mean Sea Level Rise. Seit 1933 registriert man dort den Wasserstand in den 2.000 wichtigsten Häfen. Das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv hat die Daten ausgewertet und in eine Grafik umgesetzt, von der wir eine Auswahl präsentieren.

Dabei wird deutlich: Die Meeresspiegel stei­gen, allerdings nicht überall gleich schnell. Denn es gibt durchaus lokale Besonderheiten, auf die auch der UN-Klimarat IPCC in seinem letzten Sachstandsbericht von 2013 hinweist: Winde, Meeresströmungen, tektonische Verschiebungen oder der Zufluss von Süßwasser können an den Küsten den Wasserstand unterschiedlich beeinflussen. Wasser ist nicht immer eben wie eine Wasserwaage, in den Ozeanen gibt es Berge und Täler. Aber wo das Wasser bisher stark gestiegen ist, wird es sich auch weiter ausdehnen.

Wichtig für den realen Pegel ist auch, ob sich das Land hebt oder senkt. Skandinavien und Teile Nordamerikas etwa zeigen einen fallenden Meeresspiegel, weil das Land sich schneller hebt als das Meer steigt. Seit die Gletscher geschmolzen sind, die die Landmasse während der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren bedeckten, geht es aufwärts. Ähnliches passiert, wo sich tektonische Platten so verschieben, dass die Erde nach oben gedrückt wird.

An anderen Stellen sinkt das Land ab, weil es zu stark bebaut wird oder aus dem Untergrund Trinkwasser oder Gas gefördert werden. Steigende Ozeane und sinkende Landmassen gemeinsam bringen auch Megastädte in Gefahr, wo sich Millionen Menschen und ein großer Teil der Wertschöpfung konzentrieren: Manila auf den Philippinen, Manhattan in New York City, das Perlflussdelta in China.

Schmelzenden Eisschilde in Grönland und der Antarktis

Die Karte zeigt, wie ungleich die Welt auch bei der Sammlung von Daten ist. Die meisten Informationen stammen aus Europa, Japan/Südkorea und aus Nordamerika – den klassischen Industrienationen, die sich Küstenschutz im Zweifel leisten können. Nur sporadisch sind die Messungen aus Lateinamerika, Afrika und Teilen Asiens. Aus Bangladesch zum Beispiel, wo im Mündungsgebiet der großen Flüsse Ganges und Brahmaputra mehrere Millionen Menschen von anschwellenden Flüssen, steigendem Meer und versalzten Feldern betroffen sind, fehlen diese Informationen.

Wissenschaftler warnen vor dem Anstieg, weil er sich über Jahrhunderte fortsetzen wird, selbst wenn die Emissionen von Kohlendioxid schnell sinken sollten. Die großen Unbekannten sind die schmelzenden Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Im 20. Jahrhundert ist der globale Meeresspiegel um 17 Zentimeter gestiegen, für das 21. Jahrhundert schätzt der UN-Klimarat IPCC eine Zunahme um 28 bis 98 Zentimeter, je nach der Menge der Emissionen.

Selbst bei konsequentem Klimaschutz sind demnach 28 bis 61 Zentimeter nicht mehr zu verhindern. Diese Vorhersagen des IPCC sind in der Vergangenheit immer wieder nach oben korrigiert worden. Und erst vor zwei Wochen warnten drei neue Studien unabhängig voneinander, der Meeresspiegel könne in Zeiten des Klimawandels deutlich schneller und höher steigen als angenommen – im Extremfall um zwei bis drei Meter bis 2100.

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