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Lernen für die Flüchtlingshilfe

In „Refugee Law Clinics“ helfen Jurastudierende Geflüchteten in Rechtsfragen. Weil auch Ehrenamtliche Fachwissen brauchen, bieten die norddeutschen Flüchtlingsräte juristische Fortbildungen und Beratungen für HelferInnen an

Das Ausländer- und Asylrecht ist hoch kompliziert, ein Anwalt für die meisten Geflüchteten aber nicht bezahlbar. Hier helfen Ehrenamtliche Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Von Jördis Früchtenicht

Wie läuft ein Asylverfahren ab, wie funktioniert das mit dem Familiennachzug, darf ich arbeiten oder studieren und wenn ja: wo? Probleme ergeben sich für Geflüchtete in vielen rechtlichen Bereichen. Entsprechend notwendig ist für sie eine juristische Beratung. Hier helfen sogenannte „Refugee Law Clinics“ (RLCs): Sie bilden mit Beginn des Wintersemesters Jurastudierende zu BeraterInnen aus.

Die Idee der Refugee Law Clinics stammt ursprünglich aus den USA. Jurastudierende führen Rechtsberatungen für Menschen durch, die sich keinen Anwalt leisten können, meist in einem bestimmten Rechtsgebiet. So profitieren Bedürftige vom fachkundigen Rat, und die Studierenden können im sonst eher praxisarmen Studium wertvolle Erfahrungen sammeln. Refugee Law Clinics gibt es inzwischen auch an vielen Universitäten in Deutschland, darunter in in Hamburg, Hannover, Kiel und Göttingen.

Die RLC Hannover besteht seit März 2015. Der gemeinnützige Verein ist von der Universität unabhängig. Die Beratung der Geflüchteten erfolgt nach vorheriger Terminabsprache in asyl- und ausländerrechtlichen Fällen. „In der Beratung geht es um die Vorbereitung der persönlichen Anhörung im Asylverfahren, um Zugang zum Arbeitsmarkt oder auch um den Familiennachzug – das ist ein häufiges und dramatisches Thema“, sagt Milena Heine, Kovorsitzende der RLC Hannover. Der Familiennachzug ist seit Frühjahr 2016 bis Frühjahr 2018 für diejenigen Geflüchteten ausgesetzt, die lediglich den „subsidiären“ Schutz bekommen – also nur auf Zeit in Deutschland bleiben dürfen. Diesen Schutzstatus erhielten 2016 auch viele syrische Flüchtlinge.

In drei Wochenendseminaren werden die Jurastudierenden auf ihren Einsatz als BeraterInnen vorbereitet. „Dabei werden etwa Sozial- und Asylrecht behandelt.“ Um offene Fragen der Beraterteams – die Studierenden arbeiten immer zu zweit – zu ihren Fällen zu beantworten, gibt es eine Supervision durch AnwältInnen.

Die bloße Beratung durch die Studierenden reicht dennoch nicht immer aus. Dann, so Jensen, werde darauf verwiesen, dass sich die Geflüchteten AnwältInnen nehmen müssten. „Das ist allerdings eine Frage des Geldes.“ Denn anders als die kostenlose Beratung durch die Studierenden entstehen bei der anwaltlichen Konsultation Kosten, die die Geflüchteten meist selbst tragen müssen.

Bei der ebenfalls seit 2015 tätigen Refugee Law Clinic Hamburg werden an vier Standorten in der Stadt wöchentlich offene Sprechstunden angeboten. Die Beratungsschwerpunkte liegen auch hier auf der Vorbereitung für die asylrechtliche Anhörung, Familienzusammenführungen sowie dem Dublin-Verfahren, welches die Zuständigkeit für Asylanträge der EU-Staaten regelt.

Um die Beratungsqualität sicherzustellen, werden die Jurastudierenden ein Jahr lang auf die Tätigkeit als RechtsberaterInnen vorbereitet. Diese Ausbildung umfasst neben einer praxisorientierten Einführungsveranstaltung unter anderem auch ein Praktikum in einer Anwaltskanzlei. Zudem gibt es für die bereits als BeraterInnen tätigen Studierenden immer wieder Fortbildungen. Wie auch in Hannover gibt es in Hamburg zudem eine regelmäßige Supervision durch mit der RLC kooperierenden AnwältInnen.

Die Refugee Law Clinic Hamburg besteht aus Studierenden der Rechtswissenschaft, die Grundkenntnisse im Verwaltungsrecht und in den Bezügen des deutschen zum internationalen und zum Europarecht haben sowie insbesondere den Schwerpunktbereich Europarecht und Völkerrecht. Informationen: https://www.jura.uni-hamburg.de/einrichtungen/law-clinics/refugee-law-clinic.html

Die Refugee Law Clinic Kiel ist eine Initiative von Studierenden der Rechtswissenschaften der Uni. Sie nehmen an einer Vorlesung zum Aufenthaltsrecht sowie an Workshops teil. Informationen: lw-vlinic-kiel.de

Die Refugee Law Clinic Hannover ist ein gemeinnütziger Verein, der mit der Juristischen und Philosophischen Fakultät der Uni zusammenarbeitet. Aktiv sind auch Studierende anderer Fachrichtungen und berufstätige Menschen. Neben der Beratung, Aus- und Weiterbildung halten einige Mitglieder auch Fortbildungsseminare im Asylrecht. Informationen: https://rlc-hannover.de/

In Kiel gibt es seit März 2016 ebenfalls eine Law Clinic für Geflüchtete. Zu Beginn habe sich die Beratung vor allem um die Vorbereitung auf die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gedreht, sagt Maximilian Fricke von der RLC Kiel. „Inzwischen geht es häufig um Familiennachzug, den Zugang zum Arbeitsmarkt oder auch im Ausland geschlossene Ehen.“ Die Kieler Law Clinic ist in den Räumen des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein untergebracht. Dessen Geschäftsführer Martin Link unterstützt das Projekt: „Die Law Clinic ermöglicht es uns, besser bedarfsgerecht zu beraten.“

Doch auch andere Ehrenamtliche in der Geflüchtetenhilfe brauchen zuweilen juristisches Wissen. „Es gibt verschiedene Ebenen des Engagements“, sagt Marc Millies vom Flüchtlingsrat Bremen. „Wer eine Fahrradwerkstatt organisieren möchte, muss andere Dinge wissen als jemand, der Geflüchtete im Asylverfahren begleitet oder bei der Wohnungssuche hilft.“ Oft würden Fragen zwischendurch auftreten. Neben Wissen im Bereich des Asylrechts sind auch immer wieder rechtliche Aspekte relevant, die allgemein für Ehrenamtler wichtig sind – sei es zu Themen wie Vereinsgründungen oder weil man gemeinsam in den Urlaub fahren will.

Die norddeutschen Flüchtlingsräte bieten daher unterschiedliche Fortbildungs- und Beratungsangebote für HelferInnen. So gibt es etwa beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein unter anderem das Projekt „Dezentrale Flüchtlingshilfe“, bei dem Schulungsangebote für Gruppen im gesamten Bundesland durchgeführt werden.

„Die Initiativen sagen uns, was sie brauchen“, sagt Flüchtlingsrats-Geschäftsführer Link. Es könne um Vereinsgründungen oder die Gestaltung von Flugblättern, aber auch um den Umgang mit besonders schutzbedürftigen Gruppen oder um Einführungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. „Die Rechtsgebiete sind komplex und dynamisch“, erklärt Link. Immer wieder würden die einschlägigen Gesetze geändert. Daher sei es für HelferInnen wichtig, sich regelmäßig zu informieren.