Konferenz am 11. November zu Feminizid: Weil sie Frauen sind

In vielen Ländern wächst das Bewusstsein für Feminizide – Morde an Frauen. Aktivist_innen aus Berlin wollen nun die Grundlage für eine Debatte in Deutschland legen

Demo in Mexiko-Stadt gegen Gewalt gegen Frauen; Anlass war der Mord an einer jungen Frau Foto: Iliana Suarez/dpa

Es sind Wörter, die uns häufig in den Medien begegnen: Familientragödie, Eifersuchtsdrama, Ehrenmord, in Italien ist auch „Leidenschaftsdelikt“ gängig. Doch solche Wörter sind trügerisch. Denn sie verschleiern, worum es oft eigentlich geht, wenn ein Mann seine Partnerin bedroht oder tötet, meint Alexandra Wischnewski, Aktivistin und politische Referentin für feministische Politik der Linksfraktion im Bundestag. „Was in den meisten dieser so beschriebenen Fälle wirklich dahinter steckt, ist Mord an Frauen, weil sie Frauen sind“, sagt sie. „Das ist etwas ganz anderes als zum Beispiel Raubmord. Und es passiert in Deutschland öfter, als viele vielleicht vermuten.“

Mit einer Tagung am Samstag, dem 11. November, möchten die Veranstalterinnen die Diskussion endlich auch in Deutschland in Gang bringen. Gemeinsam mit Vertreter_innen von Frauenhäusern und Aktivist_innen wollen sie sich über Bezeichnungen, Hintergründe und Handlungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dieser äußersten Form geschlechtsspezifischer Gewalt austauschen.

Feminizid – Frauenmord – ist der Begriff, der sich inzwischen in vielen Ländern für den Tatbestand etabliert hat. Und zwar ausgehend von der Diskussion in Mexiko, Peru oder Argentinien, die schon etwas weiter ist und dazu geführt hat, dass geschlechtsspezifische Tötungen in der Gesetzgebung so benannt werden.

In Deutschland sei die Debatte dagegen noch am Anfang, sagt Alexandra Wischnewski. „Wir wollen, dass Feminizide auch auf staatlicher Ebene wahrgenommen und diskutiert werden. Dazu ist es notwendig, dass endlich entsprechende Statistiken geführt werden und auf der Ebene der Gesetze anders damit umgegangen wird als bisher.“

Am heutigen Samstag lädt die Konferenz „Unser Leben! Wie Frauenmorden in Deutschland entgegenwirken?“ ein. Aktivist_innen aus Berlin wollen sich in Workshops und Diskussionsrunden über Gesetzgebung, Statistiken, mediale Darstellung und internationale Mobilisierung im Zusammenhang mit Feminiziden austauschen. Der Eintritt zur Konferenz ist frei, eine Anmeldung ist nicht nötig, und es sind ausdrücklich alle Geschlechter willkommen.

Eine Demonstration zum Day Against Violence Against Women findet am 25. November statt. Informationen unter: https://keinemehr.wordpress.com. (usch)

Die Statistik sagt nicht viel aus

Die einzige Statistik, in der Feminizide hierzulande bisher erfasst werden, ist die Kriminalitätsstatistik zu Gewalt in Partnerschaften. Seit 2011 führt das Bundeskriminalamt auf, in welcher Beziehung Täter und Opfer in Tötungsdelikten zueinander stehen. Für das Jahr 2016 verzeichnet diese 158 Morde und Totschläge an Frauen durch Partner oder Ehemann sowie 211 Mordversuche oder lebensbedrohliche Verletzungen durch männliche Partner.

„Diese Statistik gibt einen Hinweis, wie groß die Gefahr ist, in der Frauen leben“, sagt Wischnewski. „Wir haben allein nach diesen Zahlen im Schnitt täglich einen Versuch, eine Frau umzubringen oder einen tatsächlichen Mord.“ Aktivisten und Frauenhäuser fordern daher noch genauere Informationen. „Erfasst werden bisher nur die Tötungen, die innerhalb einer Beziehung passieren, was fehlt, sind Fälle wie Körperverletzung oder Vergewaltigung mit Todesfolge“, betont Wischnewski.

Nicht nur die fehlenden Zahlen erschweren eine Auseinandersetzung mit Feminiziden. Auch Klischees und Tradierungen trüben den Blick, wenn zum Beispiel Mord an Frauen als Problem einer bestimmten Schicht, bestimmten Nationalitäten oder bestimmten Kulturen zugeordnet werden. Demgegenüber hat Margaret Chan, die Generaldirektorin der WHO, bereits 2013 im Zusammenhang mit einer Studie hervorgehoben, dass Gewalt gegen Frauen tägliche Realität sei, täglich Opfer fordere und in allen Ländern, allen Kulturen, allen Schichten passiere.

Feminizid ist der Begriff, der sich inzwischen in vielen Ländern für den Tatbestand etabliert hat. Ausgehend von der Diskussion in Mexiko, Peru oder Argentinien

„Frauenmorde müssen viel stärker noch als bisher in einem Gefüge gesehen werden, in dem Macht ausgeübt wird“, fordert Wischnewski. Nur so sei es möglich, die strukturellen Gründe für Feminizide zu erfassen. „Feminizide oder Tötungsversuche stehen oft im Zusammenhang mit einer Trennung, und allgemein in Situationen, in denen Frauen von vorgegebenen Rollen abweichen“, sagt sie. Auch diese Zusammenhänge gelte es, durch entsprechende Statistiken zu erfassen und mit einem umfassenden Blick, der nicht den Einzelfall, sondern die Struktur dahinter sieht, zu betrachten. Dazu gehöre auch, nach der Seite der Männer zu fragen.

Verharmlosende Begriffe

„Es ist wichtig, ganz klar zu sagen: Das ist Mord, nicht Leidenschaft“, sagt Wischnewski. Wer von Familientragödie rede, liefere die Entschuldigung dafür gleich mit – diese Begriffe würden die Taten verharmlosen. „Wir wollen auch fragen: was ändert sich, wenn ich von Feminizid statt von Partnergewalt rede“, sagt sie.

Dass Gewalt gegen Frauen unter dem Hashtag #MeToo gerade eine breite und anhaltende Aufmerksamkeit bekommt, findet Wischnewski auch für ihre Anliegen förderlich. „Natürlich ist das auf einer anderen Ebene, aber alles hilft, was auf die Gewalt gegen Frauen und die Machtstrukturen, in denen sie sich immer noch bewegen, hinweist.“

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