Agavengedickt und rohrohrzuckergesüßt

Bevor man mit dem Backen von Weihnachtsplätzchen beginnt, sollte die Küche gut vorbereitet sein. Die Zutaten am besten zimmerwarm verarbeiten und exakt abmessen

Gestochen scharf und trotzdem süß Foto: Eibner/imago

Von Julia Johannsen

Weich oder rund, zuckersüß oder knackig: Plätzchen leuchten im November und Dezember wie kleine Sterne in der Dunkelheit. Jeder begehrt sie, keiner kann ihnen widerstehen, sie erwachen in Tausenden Öfen zum Leben und werden in Tütchen und Päckchen verschenkt, weiter gegeben, reisen mit der Post durch das Land. Jedes Jahr kommen sie in anderen Formen und Farben daher, garantiert mit einem neuen Innenleben, agavengedickt, rohrohrzuckergesüßt, glutenfrei oder vegan. Kurz nach Weihnachten vergeht ihr Glanz, so vergänglich sind sie. Ihre Zeit ist kurz und sie beginnt jetzt.

Das Plätzchenbacken bringt allerlei Glück mit sich. Es zu tun löst schon Glücksgefühle aus und noch mehr der sinnliche Duft nach Zimt, Kakao und Kardamom, und schließlich, während die Plätzchen im Ofen ihre Schönheit entfalten, wird alles still, das Licht ausgemacht, die Fenster geöffnet, Hände und Küchengeräte kommen zur Ruhe. Das Backen geschieht von allein, es ist nichts mehr zu tun bis zu diesem höchsten Glücksmoment: Die Plätzchen werden aus dem Ofen gehoben wie eine Gabe, und es ist Zeit für eine großartige kleine Sünde – eine Handvoll davon zu vernaschen, solange sie noch warm sind.

Die wichtigste Zutat, die es für das Gelingen des Plätzchenbackens braucht, ist Muße, keine Eile, ein paar Stunden Zeit für das Sein in der Küche. Bevor das Backen beginnt, sollte die Küche gut vorbereitet sein: Die notwendigen Utensilien liegen sauber und ordentlich bereit, und die Zutaten werden schon vorher aus dem Kühlschrank geholt, damit sie zimmerwarm sind. „Messen Sie die Zutaten exakt ab“, empfiehlt die irische Backexpertin Yvette van Boven (in ihrem Buch „Home Baked“). „Beim Backen muss man genauer sein als beim Kochen eines Süppchens.“

Yvette van Boven: Home Baked. Dumont Verlag, Köln, 34 Euro

Molly Yeh: Molly’s Kitchen. Stadt, Land, Genuss – vom Glück zu kochen und zu genießen. Südwest Verlag, München, 24,99 Euro

Dunja Gulin: Veganes Backen. Thorbecke Verlag, Ostfildern, 19,99 Euro

Plätzchenbacken ist sinnlich und kreativ und verlockt dazu, jedes Jahr und immer wieder neue Varianten zu probieren, neue Ausstechformen, Streuselfarben oder Mehlsorten. Plätzchen selber zu backen mit Freunden, den Kindern oder dem Geliebten bringt noch mehr Glücksgefühle, auch wenn man nicht immer sicher sein kann, was genau dabei herauskommt. Süß ist es in jedem Fall.

Das Wort Plätzchen hat seine Abstammung vom „flach geformten Kuchen“, in Süddeutschland auch „Platzerl“ genannt. Die Plätzchenbäckerei entwickelte sich parallel zum Konsum von Kaffee, Tee und Kakao seit dem 18. Jahrhundert. Plätzchen waren bis ins 19. Jahrhundert hinein ein Luxus, da Zutaten wie Zucker, Mandeln oder Kakao teuer waren. Heute erzeugen Hersteller in Deutschland rund 82 Tonnen Weihnachtsbäckerei bei einem Umsatz von über 4 Millionen Euro. Ein Grund mehr, die Plätzchen selbst zu backen!