Linken-Chefin über ihren Rückzug: „Wir müssen mehr Frauen gewinnen“

Die Bundestagsabgeordnete Doris Achelwilm kanditiert nicht erneut als Sprecherin des Landesvorstandes von Die Linke – obwohl sich die Partei im Aufwind befindet.

Doris Achelwilm sitzt auf einem Podium hinter einem Mikrophon

Will dem Landesvorstand der Bremer Linken weiter beratend zur Seite stehen: Doris Achelwilm Foto: dpa

taz: Frau Achelwilm, lassen Sie die Partei im Stich?

Doris Achelwilm: Ganz und gar nicht. Ich habe vier Jahre intensiv als Landessprecherin gearbeitet und mich mit voller Kraft reingehängt. Ich glaube, es war erstens nicht vergeblich, und zweitens auch erfolgreich. Wir stehen als Partei sehr gut da.

Und deshalb stellen Sie sich vom Vorstand zurück?

Nein. Ich trete nicht als Vorstandssprecherin an, aber nehme nach wie vor zum Beispiel weiter an Vorstandssitzungen teil, mit beratender Stimme.

Aber heißt es nicht, man sollte ein Siegerteam nicht verändern?

Ich bin auf jeden Fall für Kontinuität. Die werden wir auch haben, Felix Pithan tritt ja wieder an, und insgesamt besteht der Landesvorstand aus zwölf Personen: Ich bin zuversichtlich, dass es da ein gutes Verhältnis aus neuen Mitgliedern und erfahrenen Kräften geben wird. Aber das recht zeitintensive Amt der Landessprecherin mit den Anforderungen als neue Abgeordnete zu vereinbaren, damit wäre aus meiner Sicht beiden Aufgaben nicht gedient gewesen.

Wäre der strategische Vorteil, als Landespartei so einen direkten Draht in die Bundestagsfraktion zu haben, nicht wert gewesen, Sie anfangs ein wenig von den bremischen Aufgaben zu entlasten …?

Also die ganzen Kümmer-Aufgaben delegieren und ich rausche nur an, wenn es repräsentativ wird und bin für Grußworte zuständig? Von so einer Konstruktion bin ich kein Fan. Das war nie meine Vorstellung von dem Amt, und ist es auch weiterhin nicht. Bestimmt lassen sich dieses Amt und Mandat auch vereinbaren, aber gerade in der jetzigen Übergangszeit hätte das aus meiner Sicht eher Schwierigkeiten geschaffen, als dass es produktiv gewesen wäre – in einer Zeit, in der sich die Partei auf die kommende Bürgerschaftswahl und die Europawahl vorbereiten muss.

Klingt, als hätten Sie es sich nicht leicht gemacht …

40, hat Sprachwissenschaften, Geschichte und Politik studiert, war Pressesprecherin der Linksfraktion in der Bürgerschaft und ist scheidende Landesvorsitzende der Partei. Achelwilm wurde im September als Spitzenkandidatin der Bremer Linken in den Bundestag gewählt.

Das stimmt. Ich habe die Entscheidung auch nicht im stillen Kämmerlein, sondern im intensiven Austausch unter anderem mit den Kreisverbänden getroffen. Und ich wäre noch einmal angetreten, wenn sich keine Kandidatin für die Nachfolge gefunden hätte. Das sieht aber jetzt anders aus.

Die Partei ist im Aufwind, trotzdem war es schwer, eine Nachfolgerin zu finden?

Wir haben viele, an einzelne Personen gebundene Aufgaben. Wir haben acht Bürgerschaftsabgeordnete, wir haben einiges an Vorständen, die Beiratsebene darf man nicht vergessen – viele von uns bekleiden bereits mehr als nur eine Funktion. Sich angesichts der Auslastung noch den Posten der Landessprecherin draufzuschaffen, ist schwierig. Das bedeutet auch: Wir müssen sicher daran arbeiten, dass unsere Personaldecke größer wird, insbesondere, dass wir mehr Frauen für die Mitarbeit gewinnen. Das ist uns sehr bewusst.

Jetzt macht Conny Barth den Job, wie schon 2007, eine Zeit, die ich als nicht so glücklich in Erinnerung habe …

Krisenfestigkeit ist in dem Amt ein Vorteil. Die kann ihr keiner absprechen. Auf jeden Fall war das damals eine ganz andere Zeit. Wir waren als Partei noch deutlich jünger, die Herausforderungen waren enorm, und sie waren auch anders gelagert. Wir sind mittlerweile gefestigter und besser in der Stadt verankert. Mit dem Hintergrund wird Conny Barth gut arbeiten können.

Der Leitantrag des Vorstands bestimmt als besonders wichtiges Feld der Parteiarbeit die Vorbereitung auf die Wahlen, etwa die Art der Kandidat*innenaufstellung. Dagegen gibt es Kritik aus der Partei: Der Vorstand kapriziere sich zu stark auf diese machtmechanische Ebene. Trifft das einen Punkt?

Der Parteitag berät Samstag und Sonntag jeweils ab 10.30 Uhr im Konsul-Hackfeld-Haus.

Er wählt einen neuen Landesvorstand.

Der Leitantrag legt die Parteistrategie fest.

Ich weiß nicht, ob es sich bei solchen Fragen wirklich nur um Machtpolitik dreht. Es sind auch Strukturaufgaben, die eine Partei einfach hat: sich zu überlegen, wie sie in ihre Aufstellungsversammlungen gehen will. Wir müssen doch klarstellen, welche Präferenzen wir da haben, und es ist richtig, sich dafür Erneuerungsinstrumente aufzugeben, die wir bisher noch nicht geschaffen haben.

Ist es nicht dringender, sich zu fragen, wie man als Partei durch Stadtteilarbeit mit der „Katastrophe des Wahlerfolgs der AfD“ umgeht, wie es der Gegenantrag fordert?

Das widerspricht einander überhaupt nicht. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir das als Landesvorstand nicht auf dem Schirm hätten, ganz im Gegenteil: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren sehr stark auf eine Parteientwicklung gesetzt, die mehr in die Stadtteile geht, durch Haustürbesuche, Organizing, sichtbare Aktionen. Da sind wir viel weiter als vor zwei Jahren. Und unsere antirassistische Arbeit ist einer unserer Schwerpunkte.

Warum steht dazu im Leitantrag des Vorstand nichts?

Leitantrag steht für Fokussierung auch auf Umstrittenes, nicht für Vollständigkeit. Angesichts dessen, dass wir uns auf den letzten Parteitagen sehr ausführlich über den Umgang mit der AfD auseinandergesetzt hatten, haben wir uns bemüht, einen Leitantrag zu entwerfen, der nicht über zahllose Seiten geht, und der ergänzt wird durch das, was aus den Kreisverbänden kommt. Man kann jedenfalls nicht davon sprechen, dass wir das Erstarken der Rechtsradikalen, der AfD und die zunehmende Neoliberalisierung nicht im Fokus hätten. Das wird auch beim Parteitag zum Ausdruck kommen.

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